weiteres zum Fenster hinausgesprungen sein soll. Das wesentliche in diesen drei Berichten ist jedenfalls der Umstand, dass de Sade hier offenbar seine eigentümlichen, in den späteren Romanen mit so grosser Ausführlichkeit entwickelten Theorieen über den die Wollust steigernden Einfluss der Grausamkeit ins Praktische zu übersetzen versuchte, was ihm freilich nur unvollkommen gelungen zu sein scheint.

Der zweite Skandal zu Marseille im Jahre 1772 machte noch mehr Aufsehen und verschaffte seinem Urheber die zweifelhafte Berühmtheit, die seitdem stets mit seinem Namen verknüpft wurde und wohl nicht wenig den Erfolg seiner berüchtigten litterarischen Produkte herbeiführte. Auch die Marseiller Affäre ist uns in verschiedenen Darstellungen überliefert worden. In der bekanntesten, der von Bachaumont, heisst es: „Er gab einen Ball, zu dem er viele Leute eingeladen hatte, und beim Dessert verteilte er sehr schöne Chokoladenpastillen, von denen viele Leute assen. Denselben waren gepulverte spanische Fliegen beigemischt. Man kennt die Wirkung dieses Mittels. Alle, die davon gegessen hatten, wurden von einer schamlosen Brunst ergriffen und begingen die tollsten Liebesexzesse. Das Fest artete zu einer wilden altrömischen Orgie aus. Die keuschesten Frauen konnten der Mutterwut nicht widerstehen, welche sie verzehrte. Der Marquis de Sade missbrauchte seine Schwägerin, mit der er dann entfloh, um der ihm drohenden Todesstrafe zu entgehen. Mehrere Personen starben an den Folgen der Exzesse, andere sind noch sehr krank.“ Nach einer anderen Nachricht soll de Sade die Cantharidenbonbons unter die Insassinnen eines Bordells verteilt haben und dadurch die eben geschilderten Folgen hervorgerufen haben. In Wirklichkeit scheinen letztere aber nicht eingetreten zu sein, und die gegen de Sade erhobene Anklage auf Giftmord beruhte auf einem

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