hängen und Entwickelungen als naturbedingt, als notwendig, und in diesem Sinne zunächst als jenseits jeder subjektiven moralischen Wertschätzung liegend objektiv zu erkennen.

Welche Massstäbe man übrigens im einzelnen auch anzulegen gewillt ist - jedenfalls zieht sich, wie alle wirklichen Beobachter und Kenner dieses Gebietes stets zugegeben haben, hier ein recht breiter Grenzsaum als Übergang zwischen „Irrsinn“ und „Kriminalität“, indem einerseits ein geringer Prozentsatz von Irrsinn mit einem grossen Quantum verbrecherischer Neigungen und Antriebe, andererseits eine geringe verbrecherische Beimischung mit einem bedeutenden Quantum von Irrsinn gepaart sein kann. Alle Übergangsstufen finden sich hier von der mehr oder minder schweren angeborenen und ererbten Belastung zu der ausgebildeten Psychopathie; und wie flüssig und labil sind die Unterscheidungen, wie unsicher und schwankend wird selbst das Urteil des erfahrenen Sachverständigen, wenn es sich um Bestimmungen der „Zurechnungsfähigkeit“, um Grenzabsteckungen des „unüberwindlichen Triebes“ einerseits und der für das Individuum noch allenfalls überwindbaren verwerflichen, antisozialen Willensrichtung andererseits handelt!

Wir sind von der im Sadismus zutage tretenden eigenartigen Vermischung von Wollust und Grausamkeit ausgegangen. Woher kommt Grausamkeit überhaupt? ist sie nur dem Menschen eigen, bei dem „Gall“ ein eigenes Organ der Grausamkeit nachweisen zu können glaubte, ist der Mensch wirklich „l’animal mechant par excellence“? - ist der Hang zur Grausamkeit der menschlichen Natur tief eingepflanzt, als einer ihrer Grundtriebe, wie es der grosse philosophische Vertreter des Pessimismus anzuerkennen scheint, indem er neben dem „Mitleid“, das das fremde Wohl, und dem „Egoismus“, der das eigene Wohl will, die „Bosheit“, die das fremde Weh will - es also gewissermassen uneigennützig, frei von egoistischen Sonderinteressen will - als dritten gleichberechtigten Komponenten unserer Willensantriebe hinstellt? Sicher gibt es neben der bewussten auch unbewusste Grausamkeit; sicher ist der Hang dazu auch in geistig schwächeren oder noch unmündigen Geschöpfen vorhanden und sogar (wie die Grausamkeitsgelüste der Kinder und Frauen lehren) oft besonders entwickelt. Und diese unbewussten Grausamkeitsregungen erscheinen wiederum nur als besondere Äusserungsformen eines durch die ganze Natur, durch alles Geschaffene sich hindurchziehenden gewaltigen Zerstörungs- und Vernichtungstriebes, der gewissermassen die eine Seite der Dinge repräsentiert - die Natur selbst von der Todesseite gesehen, während sie uns in ihrer unerschöpflich neu gebärenden und neu erzeugenden Urkraft von der Lebensseite erscheint. Wie Leben und Tod, Auf-

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