oder die Priesterin der syrischen Göttin bei ähnlichen Anlässen beseelt haben mögen - oder die der römische Pontifex maximus empfand, wenn er eine der Nachlässigkeit in der Feuerwacht schuldig befundene Vestalin hinter einem Vorhang (wie Plutarch es schildert) auf den entblössten Körper eigenhändig abstrafte. Und bei dem „plagosus Orbilius“ handelte es sich um Kinder. - Die systematische Einführung der Flagellation als eines für Erwachsene bestimmten kirchlichen Buss- und Zuchtmittels und damit auch ihr immer vielseitigeres Eindringen als häusliches Korrektions- und öffentliches Strafmittel blieb dem Gange der kirchlichen Entwickelung, ungefähr vom 5. Jahrhundert ab, vorbehalten. Wir können dies natürlich hier nur in den allgemeinsten Umrissen andeuten; es sei auf die im Literaturanhang zitierten Spezial-Werke, auf Gretser, Boileau, Thiers, Lanjuinais, Förstemann u.a. verwiesen. Das Übel begann mit kleinen Anfängen, in Einsiedeleien und Klöstern, wo allmählich das freiwillige Sichselbstgeisseln oder Sichgeisselnlassen durch andere als ein Zeichen der so hochbewerteten Demut und Bussfertigkeit in ausgedehnten Gebrauch kam. Am höchsten, gewissermassen zum System ausgebildet ward dieser Geissellustsport - denn ein solcher war es, mit dem Rekord des Heiligengeruches - durch den Dominikanermönch, späteren Kardinal Damiani; seither entwickelt sich mehr der Gebrauch der „Disziplin“ als kirchlichen Pönitenz- und Absolutionsmittels, und nehmen auch die berüchtigten Geisselprozessionen, die bis ins Jahrhundert der Aufklärung hineinspukten, ihren erbaulichen Aufschwung. „Der Mönch und die Nonne zergeisselten sich“ - beide gewissermassen von Berufs wegen; aber auch die Laien, Männlein und Weiblein, vor allem die Damen der höchsten Kreise taten eifrig mit - bekannt ist u.a., in wie unglaublicher Weise sich die „heilige“ Elisabeth von ihrem Beichtvater Konrad von Marburg geisseln liess; bekannt ist auch der Geisselkult der heiligen Brigitta von Schweden und Hedwig von Polen - und so vieler anderer frommer regierender Frauen bis (einem on dit zufolge) herab zu Spaniens tugendsamer Isabella und Eugenie Montijo.

Schon sehr früh zeigten sich Missbräuche, die vielfach ein energisches Einschreiten kirchlicher Oberen und lange Zeit deren Widerspruch gegen das Umsichgreifen der Disziplin nach sich zogen. Schon unter Hadrian dem Ersten erging (772) ein Verbot an die Geistlichen, ihre Pönitenten zu schlagen: „episcopus, presbiter et diaconus peccantes fideles diverberare non debeant“. Das Verbot wurde natürlich niemals beachtet, und das seelsorgerische Disziplinarrecht als ein streng und eifrig gehütetes Privileg aufrecht erhalten.

Wenn hier von Missbräuchen die Rede ist, so handelt es sich für uns nur um Anwendungen der aktiven Flagellation zu Zwecken

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