in den Augen jedes Gebildeten durch die Tatsache, dass er mit einer Anomalie seines sexuellen Fühlens schuldlos behaftet war. Als Autor hat er aber dadurch in seinem Wirken und Schaffen schwere Schädigung erfahren, denn er war, solange und soweit er sich nicht auf dem Boden seiner Perversion bewegte, ein sehr begabter Schriftsteller und hätte gewiss Bedeutendes geleistet, wenn er ein sexuell normal fühlender Mensch gewesen wäre. In dieser Hinsicht ist er ein bemerkenswertes Beispiel für den gewaltigen Einfluss, welchen auf die geistige Empfindungsweise und Artung eines Menschen, sei es in gutem oder schlimmem Sinne, seine Vita sexualis gewinnt. Die Zahl der bis jetzt beobachteten Fälle von unzweifelhaftem Masochismus ist bereits eine recht grosse. Ob Masochismus neben einem normalen Geschlechtsleben vorkommt oder das Individuum ausschliesslich beherrscht, ob und inwieweit der von dieser Perversion Ergriffene eine Verwirklichung seiner seltsamen Phantasien anstrebt oder nicht, ob er seine Potenz dabei mehr oder weniger eingebüsst hat oder nicht - das alles hängt nur vom Grade der Intensität der im einzelnen Falle vorhandenen Perversion und von der Stärke der ethischen und ästhetischen Gegenmotive, sowie von der relativen Rüstigkeit der physischen und psychischen Organisation des Ergriffenen ab. Das für den Standpunkt der Psychopathie Wesentliche und das Gemeinsame aller dieser Fälle ist: die Richtung des Geschlechtstriebes auf den Vorstellungskreis der Unterwerfung unter, und Misshandlung durch das andere Geschlecht.

Was oben vom Sadismus bezüglich des impulsiven Charakters (Verdunkelung der Motivierung) der aus ihm fliessenden Handlungen, und bezüglich des durchaus originären Charakters der Perversion gesagt wurde, gilt auch vom Masochismus.

Auch beim Masochismus findet sich eine Abstufung der Akte von den widerlichsten und monströsesten Handlungen bis zu einfach läppischen herab, je nach dem Grade der Intensität des perversen Triebes und der restlichen Kraft der moralischen und ästhetischen Gegenmotive. Den äussersten Konsequenzen des Masochismus wirkt aber auch der Selbsterhaltungstrieb entgegen, und deshalb finden Mord und schwere Verletzung, die im sadistischen Affekte begangen werden können, hier, soweit bis jetzt bekannt, kein passives Gegenstück in der Wirklichkeit. Wohl aber können die perversen Wünsche masochistischer Individuen in innerlichen Phantasien bis zu diesen äussersten Konsequenzen fortschreiten (s. unten Beobachtung 62).

Auch die Akte, denen die Masochisten sich hingeben, werden von einigen in Verbindung mit dem Koitus ausgeführt, resp. präparatorisch verwendet, von anderen zum Ersatze des unmöglichen Koitus.

105 106 107

Index & Copyrighthinweise