In jüngster Zeit fand der Gegenstand mehrfache Beachtung.

A. Moll führt in seinem Werke "Die konträre Sexualempfindung" 3. Aufl. Berlin 1899, p. 281 ff. und p. 317 ff., eine Anzahl von Fällen des vollkommenen Masochismus bei Konträrsexualen an, darunter an letzterer Stelle einen Fall, in dem ein solcher masochistischer Konträrsexualer einem eigens dazu bestellten Manne eine ausführliche Instruktion in 20 Paragraphen übersendet, nach welcher der Bestellte den Besteller als Sklaven zu behandeln und zu misshandeln habe.

Im Juni 1891 teilte mir Herr Dimitri von Stefanowsky, d. Zt. Staatsanwaltssubstitut zu Jaroslaw in Russland, mit, dass er schon vor etwa drei Jahren der von mir als "Masochismus" beschriebenen Erscheinung von Perversion der Vita sexualis, welche er mit dem Namen "Passivismus" bezeichnet, sein Interesse zugewendet, vor 1½ Jahren dem Professor v. Kowalewsky in Charkow eine bezügliche Arbeit für das russische Archiv für Psychiatrie eingereicht und im November 1888 in der Moskauer juristischen Sozietät einen Vortrag über dieses Thema vom juridisch-psychologischen Standpunkte aus gehalten habe (abgedruckt im "Juridischen Boten", dem Organ der genannten Sozietät, und zwar 1890, Nr. 6 bis 8 1),

v. Schrenck-Notzing widmet in seinem Werke: "Die Suggestionstherapie bei krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinnes" etc., Stuttgart 1892, auch dem Masochismus wie dem Sadismus einige Abschnitte und führt mehrere eigene Beobachtungen an.

Vom grossen Interesse ist es, den Erscheinungen des Masochismus in der belletristischen Literatur nachzugehen.

Herr Professor E. Deak in Pest hatte die Güte, mich darauf aufmerksam zu machen, dass der Lieblingsgedanke des Masochisten, von einer geliebten weiblichen Person als Tragtier benutzt zu werden, sich schon in der altindischen Literatur vorfindet, so im "Pantschatandra" (Benfey, II. Bd., IV. Buch) in Gestalt einer Erzählung "Weiberlaunen". In derselben heisst es: Die Frau des Königs Nenda, welche (eines Liebesstreites wegen) auf ihren Mann sehr erzürnt war, liess sich, trotz aller Bitten, nicht zufrieden stellen. Da sagte er zu ihr: "Liebe! Ohne dich kann ich auch keinen Augenblick leben. Ich falle dir zu Füssen und bitte dich, freundlich zu sein!" Sie erwiderte: "Wenn du dir einen Zügel in den Mund legen lässt und ich auf deinen Rücken steigen und dich zum Laufen antreiben soll und du, davonlaufend, wie ein Pferd wieherst, dann will ich dir wieder gut sein." Und so geschah es. (Vgl. Beob. 58 dieses Buches!) Nach den Forschungen Benfeys kommt dieselbe Geschichte auch in einer buddhistischen Erzählung vor, welche in den "Mémoires sur les contrées occidentales par Hionen Thsang, traduit du Chinois par St. Julien" I 124 erschienen ist.


1) Vgl. die neueste Arbeit dieses Autors über "Passivismus" in Archives d'Antbropologie criminelle 1892 VII, p. 294.

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