Ich wiederhole es als entscheidend für die Differenzierung von einfacher passiver Flagellation und Flagellation auf Grund masochistischen Verlangens, dass im ersteren Fall die Handlung Mittel zum Zweck des dadurch möglich werdenden Koitus oder wenigstens einer Ejakulation, im letzteren Fall Mittel zum Zweck der seelischen Befriedigung im Sinne masochistischer Gelüste ist.

Wie wir oben gesehen haben, unterwerfen sich Masochisten aber auch allen möglichen anderen Misshandlungen und Qualen, bei denen von reflektorischer Erregung von Wollust nicht die Rede sein kann. Da solche Fälle zahlreich sind, so muss untersucht werden, in welchem Verhältnis bei derartigen Akten (und bei der gleichwertigen Flagellation der Masochisten) Schmerz und Lust zu einander stehen. Auf Grund der Ausssage eines Masochisten ergibt sich folgendes:

Das Verhältnis ist nicht derart, dass einfach, was sonst physischen Schmerz verursacht, hier als physische Lust empfunden wird, sondern der in der masochistischen Ekstase Befindliche fühlt keinen Schmerz, sei es, weil er vermöge seines Affektzustandes (gleich dem Soldaten im Schlachtgewühl) die physische Einwirkung auf seine Hautnerven überhaupt nicht apperzipiert, oder weil (wie bei dem religiösen Märtyrer und Ekstatiker) der Ueberfüllung des Bewusstseins mit Lustgefühlen gegenüber die Vorstellung der Misshandlung nur wie ein blosses Zeichen, ohne ihre Schmerzqualität, in ihm stehen bleibt.

Es findet im zweiten Falle gewissermassen eine Ueberkompensation des physischen Schmerzes durch die psychische Lust statt und nur die Differenz bleibt als restliche psychische Lust im Bewusstsein. Diese erfährt überdies einen Zuwachs, indem, sei es durch reflektorisch spinalen Einfluss, sei es durch eigenartige Betonung der sensiblen Eindrücke im Sensorium, eine Art Halluzination körperlicher Wollust entsteht, mit ganz vager Lokalisation der hinaus projizierten Empfindung.

Analoges scheint in den Selbstpeinigungen religiöser Schwärmer (Fakire, heulende Derwische, religiöse Flagellanten) vorhanden zu sein, nur mit anderem Inhalt der das Lustgefühl erzeugenden Vorstellungen. Auch hier wurde die Vorstellung der Marter ohne ihre Schmerzqualität apperzipiert, indem das Bewusstsein von der mit Lust betonten Vorstellung erfüllt ist, durch die Marter Gott zu dienen, Sünden zu tilgen, den Himmel zu verdienen usw.

Versucht man den Masochismus seine Stellung im Gebiet der sexualen Perversion anzuweisen, so muss man von der Tatsache ausgehen, dass er eine ins Pathologische outrierte Erscheinung weiblicher psychicher Geschlechtscharaktere darstellt, insofern ein Merkmal derselben Duldung, Unterwerfung unter den Willen und die Macht ist. Wird doch bei Völkern auf niederer Kulturstufe die Unterwerfung des Weibes bis zu Brutalitäten gegen dasselbe ausgedehnt und dieser flagrante Beweis der Abhänglichkeit von dem betreffenden Weibe wollüstig empfunden und als Liebesbeweis aufgefasst! Es ist wahrscheinlich, dass auch beim Weibe auf hoher Kulturstufe die Rolle der futuierten Partei angenehm empfunden wird, und einen Bestandteil des sich beim intersexualen Akt entwickelnden Wollustgefühls bildet, wie überhaupt das kecke Vorgehen des Mannes einen sexuellen Reiz für das Weib abgibt. Es kann kein Zweifel darüber sein, dass sich der Masochist in passiver weiblicher Rolle der Domina gegenüber fühlt und dass seine sexuelle Befriedigung davon abhängt, dass ihm die Illusion des Unterworfenseins unter den Willen der Domina gelingt. Die daraus resultierende Wollust ist an und für sich nicht verschieden von dem Gefühl, welches für das Weib aus seiner passiven Rolle beim intersexualeu Akt resultiert.

Der masochistisch Fühlende sucht und findet überdies eine Ergänzung für seine Zwecke darin, dass er der Konsors männliche psychische Geschlechtscharaktere andichtet - auch hier in perverser, outrierter Weise, insofern das sadistische Weib sein Ideal darstellt.

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