und Misshandlung, im aktiven oder im passiven Sinne mit intensiver Wollust betont, haben sich bei einem solchen Individuum tief eingelebt. Gelegentlich versucht sich die Phantasie auch in demselben Vorstellungskreis, aber mit invertierter Rolle. Es kann selbst zu Verwirklichungen dieser Inversion kommen. Derartige Versuche in Phantasien und Handlungen werden aber meistens, als der urspr¸nglichen Richtung inad”quat, bald wieder aufgegeben.

Masochismus und Sadismus treten auch mit kontr”rer Sexualempfindung und zwar mit allen Formen und Stufen dieser Perversion kombiniert auf. Der kontr”r Sexuale kann sowohl Sadist als Masochist sein. Vgl. die vorstehenden, sowie oben Beob. 55 der gegenw”rtigen und 49 (der 7. Auflage) und zahlreiche F”lle der unten folgenden Kasuistik der kontr”ren Sexualempfindung.

Wo immer sich auf dem Boden einer neuropathischen Individualit”t eine sexuelle Perversion entwickelt hat, kann die hierbei stets anzunehmende sexuelle Hyper”sthesie auch die Erscheinungen des Masochismus und Sadismus hervortreiben, bald einzeln, bald beide vereinigt, die eine aus der anderen hervorgehend Masochismus und Sadismus erscheinen so als Grundformen psychosexualer Perversion 1), die auf dem ganzen Gebiete der Verirrungen des Geschlechtstriebes an den verschiedensten Stellen zu Tage treten k–nnen.


1) Jeder Versuch einer Erkl”rung der Tatsachen, sei es des Sadismus, sei es des Masochismus, wird wegen des hier dargetanen engen Zusammenhangs beider Erscheinungen auch geeignet sein m¸ssen, jeweils die andere Perversion zu erkl”ren. Dieser Forderung w¸rde ein Versuch des Amerikaners J. G. Kiernan, eine Erkl”rung des Sadismus zu liefern (vid.: "Psychological aspects of the sexual appetite" im "Alienist and Neurologist" St. Louis, April 1891), gen¸gen. und er m–ge aus diesem Grunde hier kurz erw”hnt werden.

Kiernan, der f¸r seine Ansicht in der anglo-amerikanischen Literatur mehrere Vorm”nner hat, geht von der Ansicht mehrerer Naturforscher (Dallinger, Drystale, Rolph, Cienskowsky) aus, welche die sogenannte Konjugation, einen Geschlechtsakt gewisser niederer Tiere, als Kannibalismus, als Verschlingen des Partners auffassten. Er schliesst unmittelbar hieran die bekannten Tatsachen an, dass Krebse sich bei Gelegenheit der geschlechtlichen Vereinigung Glieder vom Leibe reissen, Spinnen den M”nnchen dabei den Kopf abbeissen und andere sadistische Akte br¸nstiger Tiere gegen den Konsors. Von hier geht er zum Lustmord und anderen woll¸stig-grausamen Akten bei Menschen ¸ber und nimmt an, Hunger und Geschlechtstrieb seien in ihrer Wurzel identisch, der geschlechtliche Kannibalismus der niederen Tierwelt wirke in der h–heren und beim Menschen nach, und Sadismus sei ein atavistischer R¸ckschlag.

Diese Erkl”rung des Sadismus w¸rde freilich auch den Masochimus erkl”ren; denn wenn die Wurzel des geschlechtlichen Verkehrs in kannibalistischen Vorg”ngen zu suchen ist, so f¸hrt hier sowohl der Sieg des einen Teils, als auch die Niederlage des andern zum Ziele der Natur, und auch ein Trieb, das Opfer und der Unterliegende zu sein, w”re erkl”rt.

Es muss aber hier eingewendet werden, dass die Basis des Raisonnements ungen¸gend ist. Der h–chst komplizierte Vorgang der Konjugation niederer Organismen, in welchen die Wissenschaft erst in den letzten Jahren n”her eingedrungen ist, kann eben durchaus nicht einfach als eine Verschlingung eines Individuums durch ein anderes angesehen werden (vgl. Weissmann, Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung f¸r die Selektionstheorie. Jena 1886, p. 51).

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