Papiertiger

Der Papiertiger: Anhang 1


Namenskonventionen und Begriffsdefinitionen

Index

Einleitung

Kurz nachdem die Arbeit am Papiertiger begonnen hatte, trat ein unerwartetes Problem auf: Es stellte sich heraus, dass teilweise völlig verschiedene Vorstellungen bei den Mitwirkenden darüber bestanden, was einzelne Begriffe bedeuteten. "Sub" wurde von einigen als Synonym für "Bottom" gesehen, andere sahen es als eine "devote" Teilmenge und noch andere konnten mit dem Wort "Bottom" selbst wenig anfangen. Es wurde sehr schnell klar, dass wegen der historischen Entwicklung der Vorstellungen über den Sadomasochismus, einer Serie von teilweise bizarren Eindeutschungen von englischen Begriffen und den lokalen Konventionen einzelner Gruppen es keine eindeutige Sprachregelung für den Sadomasochismus gab, auf die wir für den Papiertiger zurückgreifen konnten.

In erhitzten Diskussionen wurden aus einer Vielzahl von Möglichkeiten einige Begriffe für den Papiertiger ausgewählt und mehr oder weniger klar definiert. In diesem Text sollen sie vorgestellt und ihre Bedeutung im Rahmen des Papiertigers erklärt werden. Auch wird begründet, warum andere, vielleicht in der Subkultur sogar gebräuchlichere Benennungen nicht verwendet wurden.

Um möglichst eindeutig zu bleiben, wird im ganzen Papiertiger nur mit einer Handvoll von Begriffen gearbeitet. Durch diesen Mangel an Synonymen wird er absichtlich zu einem sprachlich ärmeren Tier. Schon deswegen sollten diese Begriffe nicht als eine Vorgabe für die lebendige Sprache der Subkultur missverstanden werden, sondern nur als sprachliche Grundlage der Enzyklopädie. Die Autoren des Papiertigers sind die ersten, die über einen Versuch entsetzt wären, diesen Text zu einer Art "sadomasochistischem Duden" zu deklarieren, d.h. die Absicht einer "Normierung", wie sie Datenschlag schon vorgeworfen wurde, zu vermuten.

Auswahlkriterien

Alle Begriffe mußten mehr oder weniger streng folgende Kritieren erfüllen, um im Papiertiger Verwendung zu finden:

  1. Sie durften nicht zu weit von bestehenden Begriffen in der Subkultur abweichen. Theoretisch hätten wir einfach einen Satz von Kunstwörtern definieren können, die dann ohne jeden geschichtlichen Ballast gewesen wären. Das kann man einem Leser nicht zumuten und es stellte sich auch als nicht notwendig heraus. Ein Beispiel für die Übernahme eines bestehenden Begriffs stellt das Wort Sadomasochismus selbst dar.
  2. Die Begriffe mussten möglichst eindeutig sein. Wenn ein Begriff zwar von sehr vielen Leuten benutzt wurde, aber von jedem mit einer anderen Bedeutung, konnte er nicht oder nur mit einer neuen, strengen Definition übernommen werden, auch wenn seine genaue Bedeutung aus dem Zusammenhang klar wurde. Beispiele dafür sind Szene oder Sadist.
  3. Sie sollten keine ungewollten Assoziationen hervorrufen, insbesondere solche, die auf veraltete Vorstellungen aus der Medizin stützen oder die etwas über den vermeintlichen Charakter einer Person aussagen. Vanille, Top und Bottom wurden aus diesem Grund gegenüber einer Vielfalt von anderen Möglichkeiten vorgezogen.
  4. Die Begriffe sollten nicht zu weit von denen in der Medizin oder Justiz schon benutzten abweichen, um eine Diskussion mit diesen Kreisen nicht noch schwerer zu machen, als sie schon ist. Wieder ist Sadomasochismus selbst ein gutes Beispiel. Es wurde aber weitgehend darauf verzichtet, deren Terminologie zu übernehmen.
  5. Die Begriffe mussten auch klar abgrenzen, sprich, sich gegenseitig wenn möglich ausschließen. Dabei wurde in Kauf genommen, daß einige dieser Trennungen sehr künstlich und ziemlich theoretisch wirken können und sich nicht mehr direkt auf die Praxis anwenden lassen. Die Spaltung in SM und DS fällt in diese Kategorie. Diese Begriffe gehören zu den umstrittensten.
  6. Die Begriffe sollten möglichst kurz und handlich sein. Dieses Kriterium stand deutlich an letzter Stelle und ist vielleicht auch am deutlichsten bei DS und SM zu sehen.

Bewusst in Kauf genommen wurde, dass eine ganze Reihe der Begriffe aus dem Englischen stammen oder lediglich Eindeutschungen sind. Der Löwenanteil der neueren sadomasochistischen Fachbegriffe wurde von den Vordenkern aus den USA geprägt und haben sich bei uns soweit eingeschliffen, daß jeder Versuch einer vollständigen Übersetzung in ein praxisentferntes Kunstprodukt enden muss. Ein guter, "internationaler" Begriff wurde daher fast immer einem neuen, urgermanischen vorgezogen (Beispiel "Vanille" statt "Stino"). Allerdings wurden dort, wo es sich anbot, auch deutsche Begriffe eingeführt ("Absprache" statt "Negotiation").
Nach der Veröffentlichung 2000 stellten wir fest, daß gerade die schwule Subkultur einen reichen, bis dahin zu wenig beachteten Wortschatz entwickelt hatte. Stück für Stück wurden die bisher verwendeten englischen durch deutsche Begriffe ersetzt, wo immer das sinnvoll möglich war.

Die übernommenen Begriffe decken das Gebiet sicherlich nicht umfassend ab und sind selbst unter den Datenschlägern nicht unumstritten. Wie für den gesamten Papiertiger gilt also auch hier: Für Kritik und Anregungen sind wir dankbar.

Benutzte Begriffe

Grundlegend für den Papiertiger sind die sogenannten "Basisbegriffe" Sadomasochismus und Vanille.

Auf diese Begriffe aufbauend gibt es eine Reihe von SM-Internen Begriffen, wie Top, Bottom, Spiel, etc. Hier ist die Erklärung am wichtigsten, warum gerade sie und nicht eines der vielen möglichen Synonyme verwendet wurde.

Als dritte Gruppe werden die klassifizierenden Begriffe vorgestellt. Sie sind abstrakter als die anderen und versuchen, gewisse Strömungen innerhalb des Sadomasochismus zu fassen. Auch wenn beispielsweise DS oder SM sich im englischen Sprachraum eingebürgert hat, sind diese Begriffe in Deutschland weitgehend in dieser Form noch unbekannt oder sehr umstritten (Das hatte sich bei der Neufassung in 2000 geändert).

Basisbegriffe

Sadomasochismus (BDSM)

Der Papiertiger benutzt als Kernbegriff für das ganze von ihm behandelte Gebiet das Wort Sadomasochismus, abgekürzt SM und bezeichnet die damit verbundenen Menschen als Sadomasochisten. Es standen eine Reihe von anderen Worten zur Auswahl, einschliesslich neuerer Konstruktionen aus dem Internet wie DSSM oder BDSM. Sadomasochismus wurde hauptsächlich wegen seiner grossen Verbreitung in der Subkultur wie auch in der Forschung übernommen; in gewisser Weise stellt er den kleinsten gemeinsamen Nenner dar.
Bei der Überarbeitung im Jahre 2000 stellten wir fest, daß das Akronym BDSM (Bondage, Dominance, Submission, Discipline, Sadism, Masochism) inzwischen eine größere Verbreitung gefunden hatte. Da es nicht so direkt auf die einseitigen Vorstellung von de Sade und Sacher-Masoch bezogen ist, wurde beschlossen, es häufiger parallel zu Sadomasochismus zu verwenden.

Eine genaue Definition von SM ist zu diesem Zeitpunkt weder möglich noch unbedingt erwünscht. Der Papiertiger benutzt ihn in einem sehr weiten Sinn und schliesst damit Gebiete wie Fetischismus oder Zoomimik nicht unbedingt aus.
Die einzigen Einschränkungen für die Aufnahme waren eine erotisch/sexuelle Motivation und der Ausschluss von nonkonsensueller sexueller Gewalt.

Sadomasochisten werden als eine sexuelle Minderheit gesehen. Ihm wird damit ein ähnlicher Status wie dem der Homosexualität zugesprochen. Dies unterscheidet sich von der auf dem ersten Blick ähnlichen Vorstellung von der sexuellen Normvariante ohne Krankheitswert dadurch, daß hierdurch der Neigung von Sadomasochisten, sich zu sozialen Gebilden ("Subkulturen") zusammenzuschliessen, mehr Rechnung getragen wird. Die von Sadomasochisten geprägten speziellen Rituale der Interaktion und ihr Schatz an spezifischen Codes erlauben es, den Begriff einer sadomasochistischen Subkultur zu prägen: Innerhalb der jeweiligen nationalen Kultur besteht eine Untergruppe, die gewisse Regeln und Zeichen besitzt, die die übergreifenede Kultur nicht kennt. Diese Sichtweise widerspricht grundsätzlich der alten medizinischen Vorstellung von Sadisten und Masochisten als "einzelne Kranke", dessen Beziehungen nur zufällig entstehen und dann zwangsweise einen destruktiven, eskalierenden Charakter annehmen. Anders formuliert geht der Papiertiger davon aus, daß Sadomasochisten grundsätzlich gesellschaftliche Wesen sind und ohne störende Einflüsse von aussen dazu neigen, stabile und konstruktive Beziehungen zu anderen Sadomasochisten auszubilden.

Der Papiertiger geht weiter davon aus, dass die Vorliebe für eine gewisse Rolle in einem sadomasochistischen Spiel als Top oder Bottom (siehe unten) keine grundlegende Charaktereigenschaft ist, sprich, dass eine grundsätzliche Spaltung von Sadomasochisten in Sadisten und Masochisten nicht möglich ist. Die ältere medizinische Vorstellung, daß es sich dabei um zwei völlig getrennte Gruppen handelt, dessen Neigungen starr als Teil der Persönlichkeit festgelegt sind, wird, wie die entsprechende Vergötterung des "echten Sadisten" und "echten Masochisten" durch die Old Guard der schwulen amerikanischen Sadomasochisten, abgelehnt. Es wird von dem Sadomasochisten ausgegangen, der prinzipiell beide Richtungen in sich enthält, aber im Einzelfall eine Vorliebe bis zur Ausschliesslichkeit für eine besitzen kann. Mehr dazu wird weiter unten unter Switch besprochen. Weiter wird jeder Zusammenhang zwischen Geschlecht und einer Rollenvorliebe wie auch zwischen Geschlecht und einer sadomasochistischen Neigung überhaupt als realitätsfern abgelehnt.

Innerhalb der internationalen sadomasochistischen Subkultur folgt der Papiertiger dem Leitspruch der amerikanischen National Leather Association, die safe, sane, and consensual (sicher, mit gesundem Menschenverstand, im gegenseitigen Einvernehmen) zur Grundlage des Sadomasochismus erklärt hat. Handlungen, die unfreiwillig, ohne gegenseitiges Einverständnis oder mit Nichtmündigen vorgenommen werden, gehören nicht zum Sadomasochismus. Der hier dargestellte Sadomasochismus erfüllt auch nicht die formellen medizinischen Kriterien der American Psychiatric Association für den krankhaften sexuellen Sadismus oder sexuellen Masochismus nach DSM-IV. Näheres dazu unter den entsprechenden Einträgen im Papiertiger selbst.

Die sadomasochistische Sexualität wird als Erweiterung der sexuellen Möglichkeiten gesehen, nicht wie in der klassischen Medizin als Einschränkung. Die Abgrenzung von sadomasochistischer Sexualität gegenüber dem, was wissenschaftlich als Perversion oder Paraphilie bezeichnet wird, geschieht im Papiertiger strikt auf der Basis des Verhaltens der beteiligten Partner, nicht ihrer Phantasien oder sonstigen sexuellen Ausdrucksfähigkeiten und Vorlieben. Damit trägt der Papiertiger nicht nur den praktischen Erfahrungen der Subkultur Rechnung, sondern auch neueren Untersuchungen der Sexualwissenschaftler. Theorien über eine "Funktion" sadomasochistischer Sexualität, um "Plomben" auf frühere Traumatisierungen zu setzen werden als unwissenschaftlich, weil nicht belegt, abgelehnt. In ähnlicher Weise werden veraltete Vorstellungen über die Gewalttätigkeit, zwanghafte Intensitätssteigerungen oder Suchtcharakter des Sadomasochismus ausgeklammert.

Eine Trennung zwischen der nichtkommerziellen sadomasochistischen Subkultur und der kommerziellen ("Domina") Szene findet durch diesen Begriff nicht statt. Wo nötig, wird eine solche Trennung ausdrücklich erwähnt.

Vanille

Für Nichtsadomasochisten wird das Wort Vanille verwendet. Der Ursprung des Begriffs wird im Papiertiger unter dem entsprechenden Eintrag genauer erklärt. Er wurde anderen, teilweise eher verwendeten Begriffen wie Stino oder Normalo vorgezogen, weil er als einziges Wort wenigstens einigermaßen wertneutral ist und gleichzeitig eine gewisse Verbreitung hat.

Eine scharfe Trennung zwischen der sexuellen Minderheit der Sadomasochisten und der sexuellen Mehrheit der Vanilles ist unmöglich zu ziehen. Der Übergang ist schon durch die größere Bereitschaft der (westlichen) Gesellschaften in den letzten Jahren, einzelne sadomasochistische Praktiken in das übliche sexuelle Repertoire aufzunehmen, zunehmend verschwommen geworden. So kann einfaches Fesseln oder Spiele mit Augenbinden in Deutschland heute kaum noch als spezifisch sadomasochistisch bezeichnet werden.

SM-Interne Begriffe

Die sadomasochistische Subkultur hat eine Vielzahl von Begriffen hervorgebracht, die im Moment mehr örtliche Konventionen widerspiegeln als eine gemeinsame Sprache. Es gibt keine unumstrittenen Begriffe. Folgende Begriffe werden im Papiertiger benutzt:

Ein Spiel ist eine räumlich oder zeitlich begrenzte Interaktion von einem oder mehreren Sadomasochisten zur Ausübung der sadomasochistischen Form der Sexualität. Im Klartext: Sadomasochisten, die sich zum Kaffeetrinken oder Schach treffen, spielen noch nicht im sadomasochistischen Sinn miteinander. Sadomasochisten, die nur Vanillesex betreiben, auch nicht. Nach dem Papiertiger ist eine Beziehung, in der ein Partner auf Dauer eine gewisse Rolle angenommen hat, eigentlich auch nur ein sehr langes Spiel (bzw. eine Abfolge von Spielen, durch Alltagsphasen unterbrochen). Diese Darstellung steht im Widerspruch besonders zu der Vorstellung des Total Power Exchange wie sie besonders von einigen amerikanischenn Sadomasochisten propagiert wird und kann von einigen Sadomasochisten, die in einer dauernden Rollenverteilung leben, als diskriminierend missverstanden werden (Auch wenn wir damit keinerlei Abwertung verbinden). Dem Wort Spiel wurde trotz dieser Möglichkeit eines Mißverständnisses der Vorzug gegeben, weil es auch Außenstehenden eher klarmacht, dass hier keine nicht-konsensuelle Gewalt angewendet wird. Abgelehnt wurde das in einigen Gegenden verbreitetere Wort Szene wegen der Mehrdeutigkeit (Subkultur und Spiel), siehe dazu auch weiter unten Subkultur.

Für die Rollenverteilung während eines Spiels gibt es mehr Begriffe als Nieten auf einem Halsband: Sadist, Masochist, dominant, devot, S, M, O, U, Sub, aktiv, passiv, um nur einige zu nennen. Im Papiertiger wird nur von Top und Bottom gesprochen. Wie oben unter Sadomasochismus schon gesagt ist damit nur die Rollenverteilung während eines Spiels gemeint, es wird damit keine Aussage über den grundsätzlichen Charakter einer Person getroffen oder aus welchen Gründen sie die Rolle annimmt. Top und Bottom vermeiden jede Assoziation mit veralteten medizinischen Begriffen wie Sadist oder Masochist, sind international gebräuchlich, vor allem in der Literatur. Die genauen Gründe für die Ablehnung der anderen Synonyme werden weiter unten besprochen.

In der Subkultur wird mit Switch ausgedrückt, dass ein Sadomasochist nicht in seinem Rollenverhalten auf Top oder Bottom fixiert ist.

Ein wichtiger Begriff im Papiertiger ist der der sadomasochistischen Praktik, meist kurz als Praktik bezeichnet. Damit ist eine konkrete sadomasochistische Handlung in einem Spiel gemeint, z.B. Auspeitschen oder Fesselung. Einzelne Praktiken können mit unterschiedlichen Intensitäten, Ausmaßen und Zielsetzungen durchgeführt werden, wobei der Name für die Praktik trotzdem erhalten bleibt. Sprich, eine Rohrstockzüchtigung bleibt eine Züchtigung, egal, ob das Ziel die Schmerzzufügung, eine Machtdemonstration des Tops oder nur das Erzeugen eines gewissen Musters auf der Haut des Bottoms ist. Als vanille Praktiken werden solche bezeichnet, die nicht nur in den Bereich des Sadomasochismus fallen, wie Oralsex oder Analverkehr. Sie werden dann als Teilmenge der sadomasochistischen Praktiken gesehen wenn die Beteiligten sie im Sinne eines Machtaustausches sadomasochistisch besetzen.

Absprache bezeichnet ein mehr oder weniger ausführliches Besprechen der Vorlieben der Spieler vor einem Spiel. Abgesehen von seiner Aussprache klingt das englische Negotiation (Verhandlung) zu sehr nach einem Wettstreit oder einer Situation, in der eine Partei seine Interessen auf Kosten des anderen durchzusetzen versucht. Absprache unterstreicht dagegen die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Top und Bottom und hat auch einen weniger formellen Charakter.

Für alle sozialen Gebilde zwischen Sadomasochisten wird das Wort Subkultur benutzt, insbesondere als zusammenfassender Begriff. Damit soll bewusst der Status des Sadomasochismus als sexuelle Minderheit unterstrichen werden, auch als Parallele zur homosexuellen Subkultur. Das Wort Szene ist einmal doppeldeutig (Subkultur oder Spiel), fördert zu sehr die Vorstellung einiger Leute vom Sadomasochismus als eine vorrübergehende Modeerscheinung, und wird von den Medien inzwischen fast durchgängig abwertend benutzt ("sado-maso Szene"). Das Bild des Sadomasochismus im Papiertiger paßt auch nicht zur Art, wie der Begriff allgemein benutzt wird, so z.B. für die Drogen-Szene oder Techno-Szene.

Als Bezeichnung für Einstellungen und Äusserungen, die feindlich gegenüber dem Sadomasochismus sind, wurde der Begriff sadophob geprägt. Wie sein Vorbild homophob drückt er nicht nur eine Angst vor Sadomasochisten aus, sondern auch eine Feindseligkeit. Andere Möglichkeiten wie Sadomasophob waren entweder zu unhandlich, abgeleitete Begriffe aus dem Lateinischem oder Griechischem erschienen zu kryptisch.

Klassifizierende Begriffe

Um Diskussionen zu vereinfachen, wird der Sadomasochismus seit einiger Zeit in den USA und dem Internet in zwei grosse Bereiche oder Strömungen unterteilt. Diese Unterteilung hat sich für Teile des Papiertigers bewährt und wird deshalb hier übernommen.

Mit SM (ausgeschrieben "Sadism and Masochism") wird eine Gruppe von Vorlieben bezeichnet, die auf direkte Sinneswahrnehmungen oder auch körperliche Empfindungen beruhen. An erster Stelle steht hier eine Vorliebe für das Zufügen oder Erleiden von Schmerzen, aber auch z.B. Hitze und Kälte gehören hier hin. Wichtig ist, daß diese Empfindungen als Selbstzweck zugefügt oder erlitten werden und nicht, um damit z.B. eine Statusänderung zu demonstrieren. Damit entspricht SM fast der klassischen, schmerzzentrierten Definition des Sadomasochismus, ohne daß die gängigen Theorien über die Gründe oder für das Entstehen einer solchen Neigung akzeptiert werden. Mehr dazu in den entsprechenden Einträgen des Papiertigers.

In einem SM-Zusammenhang wird der Top speziell als Sadist bezeichnet, der Bottom als Masochist. Da im Papiertiger versucht wird, diese Begriffe gänzlich zu vermeiden, werden sie auch hier nur selten benutzt.

Mit DS ("Dominance and Submission") wird eine Gruppe von Vorlieben bezeichnet, die auf das Herbeiführen oder Annehmen von Statusänderungen zielen. Klassischerweise wird hier die Erniedrigung gesehen, aber Status wird auch anderen Begriffen wie Dressur, Unterwerfung oder Beherrschung vorgezogen, weil es besser die Themen verschiedenster Rollenspiele wie Pseudozoophilie (also z.B. Ponyspiele) oder auch unartiges Kind - strenge Mutter unter einen Hut bringt. Unter DS fallen so gut wie alle Machtspiele im Sinn des Machtaustauschs.

In einem DS-Zusammenhang wird der Top speziell als Dom bezeichnet (Kurzform von Dominant), der Bottom als Sub (von Submissive).

Eine Darstellung zu dieser Unterteilung könnte so aussehen:


Sadomasochismus (BDSM) mit

Top und Bottom

(Allgemeine Begriffe)

DS mit

Dominant und Submissive

(Dom/Sub)

SM mit

Sadist und Masochist

(Top/Bottom)

(Spezielle Begriffe)

Das Verhältnis zwischen den Beiden wird als unabhängig aber untrennbar bezeichnet. Unabhängig soll sagen, dass eine Zunahme oder Abnahme einer Vorliebe für eine Strömung nicht die Vorliebe für die andere beeinflußt. Untrennbar unterstreicht, dass diese Aufteilung künstlich ist und die ausschließliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Bereich in der Praxis nie möglich ist. Anders gesagt kann man zwar gut diese Vorlieben unterscheiden, sie aber nie isolieren.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, daß Praktiken nicht objektiv der einen oder anderen Richtung zugeordnet werden können. Ihre Bedeutung in Richtung SM oder DS entsteht rein aus der Interpretation der Beteiligten. Als Beispiel dafür kann jede Züchtigung dienen: Während der Top mit dem Ziel der Schmerzzufügung agiert (also sich im SM Rahmen sieht) kann der Bottom den Schmerz als Zeichen der Macht des Tops interpretieren (also in einem DS Rahmen).

Die Einführung der Begriffe SM und DS ist nicht zuletzt wegen ihrer möglichen Mehrdeutigkeit umstritten. Sie werden daher eher zögerlich in dieser Version des Papiertigers verwendet.

Abgelehnte Begriffe

Folgende Begriffe wurden, obwohl sie eine mehr oder weniger grosse Verbreitung in der Subkultur haben, im Papiertiger nicht benutzt:

Sadismus und Masochismus als Alternative zum Überbegriff Sadomasochismus drückt noch die alte Vorstellung von völlig getrennten Neigungen aus und hält veraltete medizinische Theorien von dem Sadisten oder Masochisten als einzelne Kranke künstlich am Leben. Weiter sind die beiden Begriffe nach DSM-IV eindeutig schweren psychiatrische Krankheiten zugeordnet. Aus diesem Grund wird Sadomasochismus ausschließlich mit BDSM bzw. SM abgekürzt, statt mit S/M oder S&M.

Sado-Maso als Nomen und als Adjektiv wird wegen des inzwischen fast ausschließlichen negativen Beigeschmacks und seiner Verbreitung in der Regenbogenpresse abgelehnt. Innerhalb von Teilen der Subkultur gilt er inzwischen als Schimpfwort.

Algolagnie und andere Begriffe wie Quälsucht und Passivismus sind zu sehr mit historischen, meist klinischen Vorstellungen belegt, in diesem Fall von den Gedanken von Krafft-Ebing und Freud. Sie haben inzwischen auch keine nennenswerte Verbreitung mehr.

Bizarr ist von der Populärpresse zu sehr mißbraucht worden, um eigentlich noch sinnvoll verwendet werden zu können. Tatsächlich scheint in gewissen journalistischen Kreise bizarr durch sado-maso verdrängt worden zu sein.

Stino als Alternative zu Vanille trägt einen zu abwertenden Beigeschmack, um noch höflich benutzt werden zu können, wie auch andere Alternativen wie Blümchensex, Hausfrauensex und 08/15 auch. Normalsex und ähnliche Konstruktionen mit dem Wort normal werden von den meisten Sadomasochisten mit gutem Grund abgelehnt, da sie zu nahe an die Vorstellungen vom Sadomasochismus als Krankheit kommen. Möglich wäre noch Klassik Sex gewesen, aber dafür existiert keine gute Personenbezeichnung.

Die vielen Synonyme für Top oder Bottom haben alle den einen oder anderen Fehler. Alle, die auf Sadist oder Masochist zurückgehen oder daran erinneren, wie S und M, können zu leicht als Förderung der alten medizinischen Vorstellungen mißverstanden werden. Devot und Dominant spielen zu sehr auf grundliegende Charaktereigenschaften an und sind auch in dieser Form nicht bei allen Bottoms (speziell solchen mit überwiegenden SM-Phantasien) vorhanden. Ähnliches gilt für aktiv und passiv. Alle Titel wie Herr oder Sklave implizieren zu sehr ein bestimmtes Rollenspiel. U und O haben keine weite Verbreitung erreicht.

Der Papiertiger verzichtet in dieser Fassung wegen des hohen Aufwandes weitgehend auf die neuen Rechtschreibregeln.


Stand: 26.02.2003.

 

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