- dies ist mein Satz; jenes „wilde Tier“ ist gar nicht abgetötet worden, es lebt, es blüht, es hat sich nur - vergöttlicht. Was die schmerzliche Wollust der Tragödie ausmacht, ist Grausamkeit; was im sogenannten tragischen Mitleiden, im Grunde sogar in allem Erhabenen bis hinauf zu den höchsten und zartesten Schaudern der Metaphysik, angenehm wirkt, bekommt seine Süssigkeit allein von der eingemischten Ingredienz der Grausamkeit. Was der Römer in der Arena, der Christ in den Entzückungen des Kreuzes, der Spanier angesichts von Scheiterhaufen oder Stierkämpfen, der Japanese von heute, der sich zur Tragödie drängt, der Pariser Vorstadtarbeiter, der ein Heimweh nach blutigen Revolutionen hat, die Wagnerianerin, welche mit ausgehängtem Willen Tristan und Isolde über sich „ergehen lässt“, - was diese Alle gemessen und mit geheimnisvoller Brunst in sich hineinzutrinken trachten, das sind die Würztränke der grossen Circe „Grausamkeit“.

Es lässt sich nicht leugnen, dass das im Eingange unserer Schrift über den „Flagellantismus“ geschilderte Erregungsbedürfnis des modernen Kulturmenschen der weiten Verbreitung grausamer Gelüste einen gewaltigen Vorschub leistet. Wir werden weiter unten noch genauer auf diese eigenartige Verknüpfung der Grausamkeit mit dem Kulturleben zu sprechen kommen. An dieser Stelle betrachten wir zunächst die Rolle derselben in der Liebe und im Geschlechtsleben.

Grausamkeit und Wollust

Indem wir als einen wesentlichen Zug selbst des in der Form der Liebe idealistischen Geschlechtstriebes den Egoismus nachweisen, als dessen höchste Potenz die Grausamkeit aufgefasst werden muss, können wir a priori annehmen, dass in der gröbsten und materiellsten Erscheinungsform des Sexualtriebes, der rein physischen Wollust, Egoismus und Grausamkeit am krassesten zu Tage treten. Der Marquis

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