elementaren Gefühle von „Lust“ und „Unlust“ zurückgehen. „Es gibt“, wie Eduard von Hartmann mit Recht sagt, „keine Lust, die nicht einen Schmerz enthielte, und keinen Schmerz, mit dem nicht eine Lust verknüpft, wäre.“ Ganz besonders kommt diese Mischung beider Gefühlskomponenten bei allen Empfindungen auf dem religiösen Gebiete zur Geltung - in viel weiterem Sinne und Umfange, als aus den zitierten Beispielen hervorgeht; vor allem in den religiösen Anschauungen über Wert und Bedeutung des Opfers. Und gerade hier finden wir einen Schlüssel der aktiven nicht bloss, sondern auch der passiven Algolagnie. Wenn das dargebrachte Opfer in Selbstpeinigung (Askese) besteht, so wird eben diese in der inbrünstigen Hingebung zugleich als Lust empfunden; sie führt bis zur „Ekstase“, einem Seelenzustande, wobei die Vorstellung der freiwillig erduldeten Qualen nur als höchste Lust erweckendes Moment, ohne das scheinbar zugehörige Schmerzgefühl, im Bewusstsein hervortritt - wobei das Schmerzgefühl durch das unendlich stärkere Lustgefühl verdrängt und unwirksam gemacht, gleichsam überkompensiert ist. Man kann dabei an analoge Beispiele aus hypnotischen Zuständen denken. - Andererseits kann auch das dem Mitleid entspringende Gefühl für die Qualen anderer durch ein höheres Lustgefühl im Bewusstsein gänzlich verdrängt und ausgelöscht werden - wenn z.B. ein Arbues oder Torquemada im stolzen Gefühl, die Seelen seiner Opfer von ewiger Verdammnis errettet zu haben, deren von ihm verhängte zeitliche physische Leiden und Martern frohlockend mit ansieht.

Dass die „mystische Erotik aus Religion, Wollust, Grausamkeit zusammenfliesst“, hat u.a. Novalis, der Dichter des Todes im Roman der blauen Blume (Heinrich von Ofterdingen) feinsinnig ausgesprochen. In engster tausendfacher Verknüpfung enthüllen sich die Beziehungen zur Grausamkeit führender religiöser Mystik und Erotik in den Märtyrer- und Heiligengeschichten aller Zeiten, wo wir überall das Umschlagen in Akte der Selbstpeinigung sowohl wie der an anderen verübten Peinigungen beobachten; es sei an die ersten christlichen Einsiedler, an die Satzungen so vieler Mönchs- und Nonnenorden und an die Erlebnisse ihrer Stifter und Stifterinnen, an das Leben der heiligen Therese, der heiligen Katharina von Cardone, der Maddalena Pazzi, der Elisabeth von Genton und so vieler anderer im Gerüche der „Heiligkeit“ stehender Frauen, an die (noch in anderem Zusammenhange zu betrachtenden) Verirrungen des kirchlichen Flagellantismus erinnert.

Überhaupt aber muss auf die nicht bloss dem religiösen Gebiet eigene, sondern in viel weiterer Verbreitung auftretende Freude am Grausamen hingewiesen werden, wie sie sich fast zu allen Zeiten

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