und bei allen Nationen in dem vielbegehrten und gesuchten Zuschauen bei Akten der Grausamkeit, bei Gladiatorenkämpfen, Martyrien, Hinrichtungen, wie bei Tierkämpfen, Stiergefechten usw. betätigte und, soweit es der aufgelegte dünne Kulturfirnis nur irgend ermöglicht, auch jetzt noch betätigt. Bei kräftig und brutal angelegten Naturen kann sich die Freude am Zuschauen bis zum Drange eigener Mitwirkung versteigen - Peter der „Grosse“, der einen seiner Strelitzen eigenhändig köpft. Aber selbst für mitleidig veranlagte Individuen übt das Zuschauen bei Akten der Grausamkeit, ja unter Umständen schon das Hören und Lesen davon und das Betrachten von Abbildungen einen überaus starken Reiz aus, der sie nicht loslässt, sie magisch gebannt hält, und, wie man bei offener Aussprache oft hören kann, vorübergehend die sonderbarsten Ideen-Assoziationen in ihnen auslöst. Die gelangweilte Blasiertheit endlich wird dadurch aufgerüttelt und zum Aufsuchen neuer, noch nicht verbrauchter und abgestumpfter Reizmittel für die erschlaffenden Sinne gestachelt. So werden auch Kunst und Literatur - wie wir das im einzelnen noch erörtern werden - zum Dienste algolagnistischer Zwecke vielfach herangezogen; ja sie treten, einer Zeitströmung, der sie sich nicht entziehen können, gehorchend unbewusst in den Kreis solcher Aufgaben, um dann freilich durch ihre Leistungen wiederum jene Strömung mächtiger und verderblicher anschwellen zu lassen - ein verhängnisvoller, unentrinnbarer Circulus vitiosus!


Treten wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen an das engere Problem der Vermischung von Grausamkeit und Wollust im „Sadismus“ und „Masochismus“ näher heran, so ergeben sich dafür aus dem Wesen der geschlechtlichen Vorgänge selbst gewisse physiologische und psychologische Anhaltspunkte; wir können so einigermassen die Grundmotive aufdecken und übersehen, die in weiterer, exzessiver (individuell krankhafter) Steigerung zu den Erscheinungen der aktiven und passiven „Algolagnie“ führen. Ich möchte namentlich an drei Fundamentaltatsachen psychosexualer Erfahrung anknüpfen:

  1. Grausamkeit (oder, genauer ausgedrückt, der Trieb Schmerz zuzufügen und eventuell zu erdulden) ist mit der geschlechtlichen Begier in der Wurzel physiologisch und psychologisch verbunden.

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