In keinem Augenblicke ist ein Mann mehr Mann. Es sind die männlichsten aller Siege, Marengo und Austerlitz sind nur Schneiderherbergen dagegen2)“ usw. -

Freilich liegen auch hier, wie nicht zu verkennen ist, die Wurzeln des weiblichen Sadismus, mit dem das sklavisch herabgedrückte Weib an seinen Zwingherrn gelegentlich Rache nimmt. Nietzsche, auf dessen berüchtigtes Zarathustra-Wort „Gehst du zum Weibe? Vergiss die Peitsche nicht“ sich manche misogyne Idioten albernerweise berufen, hat jenen Zug sehr fein herausgespürt. „Allzu lange war im Weibe ein Sklave und ein Tyrann versteckt“ verkündet er in „Menschliches, Allzumenschliches“ gleichzeitig mit der Aufforderung, nicht die Frauen, sondern - die Männer besser zu erziehen!

Von dem der menschlichen Natur - vielleicht als phylogenetisches Erbteil - eingeborenen Zuge zur Grausamkeit ist schon in einem früheren Zusammenhange die Rede gewesen; hier muss aber noch jenes dem Grausamkeitstriebe in der menschlichen Natur nahestehenden und verwandten, wenn auch viel allgemeineren und weiter ausgreifenden, dämonischen Zuges gedacht werden, den wir vielleicht am besten als frevelnden Hochmut, als „Hybris“ im antiken Sinne charakterisieren - das griechische Wort für die mit frommer Scheu empfundene trotzige Auflehnung des autonomen Menschengeistes gegen gottgewollte Ordnung und Sittengebot erscheint in diesem Sinne besonders bezeichnend. Es ist der der menschlichen Natur unaustilgbar eingepflanzte Kain-, Luzifer- und Prometheusdrang - das hochmütige und selbstherrliche, individualistische Sichaufbäumen gegen Autorität, Vorschrift und Satzung - das sich in dämonisch starken Naturen bis zur übermütigen Freude an dem Unerhörtesten, Verworfensten, zum triumphierenden Hinwegsetzen über alle von Göttern und Menschen gezogenen einengenden Schranken, ja zum verneinenden Protest gegen göttliche Weltordnung und Weltwillen, dem der eigene Individualwille titanenhaft entgegengestemmt wird, steigert. Aus dieser Geistes- und Gemütsrichtung können die gewaltigsten Grosstaten des Menschengeistes hervorgehen, aber auch seine verruchtesten Untaten - je nachdem das Gefäss beschaffen ist, in das dieser stürmisch überquellende Inhalt hineingepresst und das durch ihn kolossal ausgedehnt oder gewaltsam zersprengt wird. Die neuerdings wieder unserem An- und Nachempfinden aufgeschwatzten prachtvollen Raubtierinstinkte der grossen Renaissance-Menschen, die ohne Spur von Gewissensbekleidung, in grandioser moralischer Nacktheit dahinzuleben scheinen, eines Richard des Dritten, eines Cäsar Borgia - und nicht minder, um die enge Beziehung zum Sadismus kenntlich zu machen, eines


2) „Die Zeit.“ Nr. 23; 19. Oktober 1902.

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