bei Hunden, Onanie bei Affen) als Erfahrungstatsachen anerkennen muss, so ist doch von irgendwelchen im engeren Sinne algolagnistischen Instinkten dabei nichts zu entdecken. Im Gegenteil pflegt gerade bei den höher organisierten Tieren, von denen ja auch manche in einer Art von monogamem Verhältnisse leben, das Männchen sein Weibchen ausserhalb des Geschlechtsverkehrs entweder mit Gleichgültigkeit, oder selbst mit einer gewissen freundschaftlichen Zuneigung, die hier und da an Zärtlichkeit streift (wie bei den Vögeln namentlich), zu behandeln. Auch unter den Primaten, den dem Menschen am nächsten stehenden Anthropoiden, hat man mancherlei schätzbare Gemütsregungen, aber meines Wissens bisher noch keine Spuren sadistischer Neigungen gefunden. Dass etwa bei der vielumstrittenen Übergangsstufe des „Pithecanthropus erectus“, oder dass bei unseren zweifelhaften Urahnen der Tertiärzeit und ihren jüngeren quaternären Nachkommen etwas dergleichen zu vermuten sei, lässt sich wenigstens aus Schädel- und sonstigen Befunden nicht erschliessen.

Soweit aber unsere geschichtlichen Kenntnisse in das Dunkel der Vorzeit hineinleuchten - und das ist immerhin jetzt schon die ganz hübsche Strecke von ungefähr 8000 Jahren, also nahezu 270 Generationen - lässt sich auch ein ausgebreitetes Vorherrschen sadistischer und überhaupt algolagnistischer Neigungen nicht gewahren - nicht einmal (trotz der minder hohen Zivilisationsstufe) durchgängig grössere Gemütsrohheit und direktere Freude an Grausamkeit, die im Gegenteil z.B. an den Ausgängen des Mittelalters und zur Zeit der Renaissance durchschnittlich grösser und verbreiteter gewesen zu sein scheint, als bei den uns bestbekannten Nationen des „Altertums“, die auf diesen traurigen Ruhm mit sehr vereinzelten Ausnahmen überhaupt keinen Anspruch erheben. Davon abgesehen erscheinen die alten Ägypter und Vorderasiaten, Inder und Chinesen, Griechen und Römer, Germanen und Slaven usw. speziell in ihren Sexualverhältnissen, in ihrem Liebes- und Eheleben kaum wesentlich anders, gewiss nicht besser, aber auch ebensowenig im Durchschnitt schlechter und „perverser“, als ihre jetzt lebenden und sich selbst so gern im Schimmer der Dekadenz erblickenden Nachfahren1). Und das gleiche wie von den alten Kulturnationen gilt im grossen und ganzen - auf die scheinbaren Widersprüche werde ich noch zurückkommen - auch von den heutigentags existierenden, mehr und mehr im Aussterben begriffenen „Naturvölkern“2). Wo ist also hier für die atavistische


1)Vgl. u.a. „Das sexuelle Leben der alten Kulturvölker“ von Dr. Josef Müller. Leipzig, Th. Grieben, 1902.

2)Vgl. „Das sexuelle Leben der Naturvölker“ von Dr. Josef Müller. Zweite Auflage, Leipzig, Th. Grieben, 1902. - „Das Sexualleben der Naturvölker.“ I. Das Sexualleben der Australier und Ozeanier von O. Schidlof. II. Das Sexualleben der Afrikaner von Hans Freimark. (Leipziger Verlag.)

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