dass ich allenfalls bereit sei, ihn zu prügeln, da er so sehr erpicht sei auf diesen Genuss: nur müsse die Sache mit der Prügelei zu Ende sein. Damit aber war er nicht einverstanden. Zuerst die Prügelei und dann ... das andere. Ich liess die Sache fallen, da ich den Scherz (für mich war es eben nur ein Scherz) satt zu bekommen anfing. Dass er mich fragte, ob ich mich schon einem Manne hingegeben halte (eine Frage, die mich, die ich noch sehr jung und herb war, aufs äusserste überraschte), dass er mir riet, mich dem Erstbesten hinzugehen, um den „ersten Schreck“ hinter mir zu haben, dass er mich auf die homosexuelle Liebe zwischen Frauen aufmerksam machte und meinte, ich hätte vielleicht dazu Talent, indem die Männer mich nicht ,reizten’, das will ich noch nebenbei bemerkt haben. Ich empfing einen höchst sonderbaren Eindruck von ihm, muss aber sagen, dass er, von seinen Exzentrizitäten auf dem sexualen Gebiet abgesehen, ein liebenswürdiger, einfacher und sympathischer Mensch war und dass namentlich seine schwärmerisch-zärtliche Liebe zu seinen Kindern etwas Rührendes an sich hatte.“

Wie auch diese Augenzeugin bestätigt, war Sacher-Masoch eine durchaus liebenswürdige, sympathische, aber von früh auf unter dem Bann einer verhängnisvollen psychosexualen Veranlagung stehende, in sich ungefestete und haltlose Natur. Gewiss werden wir seiner dichterischen Begabung und eigenartigen Bedeutung gern Gerechtigkeit widerfahren lassen, die ihm freilich nicht immer und nicht von allen Seiten zuteil wurde. Ich selbst habe diese Bedeutung noch bei Lebzeiten des Dichters ausdrücklich anerkannt1) und habe insbesondere auch hervorgehoben, wie sehr gerade die ihm eigene Wendung des erotischen Problems einer eigenartigen, zumal im slavischen Volksboden wurzelnden Auffassung der Geschlechtsverhältnisse entsprungen sein mag; einer Auffassung, die - nicht ohne tiefe Berechtigung - in der Liebe wesentlich einen Kampf der Geschlechter und in diesem Kampfe das Weib als den stärkeren, siegreichen Teil sieht, - wie es ja unzweifelhaft, gerade bei einzelnen slavischen Völkerschaften, infolge der reichen Begabung und stärkeren Willenskraft ihrer Frauen, in gewissem Sinne der Fall ist. Wenn also somit zugegeben ist, dass Sacher-Masoch einerseits aus einer bestimmten Umwelt, wie auch aus eindrucksvollen Jugenderinnerungen herausschöpfte, und dass seine Gestalten wenigstens zum Teil in tatsächlich bestehenden kulturellen und ethnologischen Verhältnissen wurzeln, so entwickelten sich doch diese früh eingesogenen Anschauungen und Vorstellungen nur vermöge der inneren Schwäche und Widerstandslosigkeit seiner Natur für ihn zu „überwertigen Ideen“, die ihn sein ganzes Leben nicht mehr losliessen und nicht nur auf sein gesamtes künstlerisches Schaffen, sondern leider auch auf seine persönliche Lebensführung den verhängnisvollsten Einfluss behaupteten. Gewiss werden wir auch


1)In meiner Darstellung der sexualen Neuropathie, zuerst abgedruckt in dem Zuelzer-Oberlaenderschen Handbuch der Harn- und Sexualorgane, Bd. IV, Leipzig, F.C.W. Vogel, 1894; vgl. den später erweiterten Sonderabdruck, 1805, S. 111.

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