(22. März 1901.) Jack the Ripper1) in der Pfalz. Von unserem Korrespondenten aus Ludwigsburg wird uns geschrieben: In den letzten Wochen werden regelmässig in entlegeneren Stadtteilen auf einsamen Wegen von einem anscheinend irrsinnigen perversen Verbrecher im „Mondenschein“ lustwandelnde Liebespärchen überfallen. Auch Mädchen, die spät abends in die Stadt zum Einkauf gesandt werden, bedroht der Unhold. So wurde eine junge Arbeiterin, die mit ihrem Geliebten nächtlich am Mundenheimer Bahndamm lustwandelte, plötzlich durch zwölf Stiche in den Unterleib auf den Tod verwundet, ihr Freund, als er sich zur Wehre setzte, grässlich verstümmelt. Der junge Mann schleppte sich nach der nächsten Polizeiwache, während seine Geliebte auf der Strasse liegen blieb. Das Attentat geschah blitzschnell; der Täter entfloh. Ein ähnlicher Fall ereignete sich zum ersten Male vor einigen Wochen. In geradezu barbarischer Weise wurde ebenfalls auf der Mundenheimer Chaussee in einer Sonntagsnacht ein Pärchen überfallen und das Mädchen dabei am Unterleib durch Dolchstiche verwundet. Man glaubte anfangs an den Racheakt eines verschmähten Liebhabers der Verletzten. Die Ludwigshifener Polizei recherchierte aber vergeblich in dieser Richtung. Eine Woche später ereignete sich ein ähnlicher Fall; nur war das Opfer, das glücklicherweise nur leicht verletzt wurde, diesmal ein vom Einkauf nach Hause eilendes, einer besseren Familie zugehöriges junges Mädchen. In den Ludwigshafener Vororten herrscht infolge all dieser Vorkommnisse jetzt eine förmliche Panik. Kein Dienstmädchen wagt sich mehr über die Strasse; keine verheiratete Arbeiterfrau kauft mehr abends ein, sie schickt ihren Mann zum „Kaufmann“! Hoffentlich wird die Behörde bald Mittel und Wege finden, um des Übeltäters habhaft zu werden und der Bevölkerung ihre Ruhe wieder zu geben.

Über einen ziemlich ähnlichen Fall, der sich im Auslande abspielte, berichtete eine hiesige Zeitung unter dem 23. Oktober 1901 folgendes:

Jack the Ripper in Kiew. Wie uns aus Kiew geschrieben wird, ist in Kiew dieser Tage von der Polizei in der Person des 18 jährigen Iwan Kaprowitsch, Sohnes wohlhabender Eltern, ein Jack the Ripper gefasst worden. Zahlreiche junge Mädchen, besonders Backfische, sind ihm zum Opfer gefallen. Er pflegte sie auf offener Strasse während der Abenddämmerungsstunden zu überfallen und ihnen mit einem Federmesser Stiche in den Hals und die untere Magengegend zu versetzen. Einige der jungen Mädchen erlitten derartig gefährliche Verletzungen, dass sie sich einer ernsten operativen Behandlung unterziehen müssen. Als der Untersuchungsrichter ihn nach dem Motiv seiner Handlungsweise befragte, antwortete der Ripper: „Oh wie ich die Weiber nicht ausstehen kann! Ihr Anblick versetzt mich in Krämpfe. Der Hass gegen diese Furien verdunkelt bei ihrem blossen Anblick meinen Verstand, und es übersteigt meine Kräfte, mich zu überwinden, ihnen nicht einen blutigen Stich zu versetzen.“ Es handelt sich offenbar um einen sexuellen Psychopathen.

Unter der Spitzmarke: „Ein neuer Jack the Ripper“ wurde vor kurzem aus Atlanta (U. St. Am.) folgendes berichtet:


1) Ein zur Artbezeichnung gewordener Londoner Lustmörder um 1892; ebenso gefürchtet wie ehedem „Vacher l’éventreur“, Troppmann und ähnliche Zelebritäten ihres Faches.

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