Durch das geheimnisvolle Dunkel, das ihn umgibt, durch sein plötzliches Auftauchen und Verschwinden und durch die Scheusslichkeiten seiner Taten verbreitete ein Neger unter der Negerbevölkerung von Atlanta lähmendes Entsetzen. Mit grausamer Regelmässigkeit hat dieser unbekannte Verbrecher an acht Sonnabenden hintereinander abends Mulattinnen ermordet und in einer Weise grässlich verstümmelt, wie sie durch die Taten des berüchtigten Jack the Ripper gekennzeichnet ist. Das letzte Opfer wurde, wie ein Kabeltelegramm aus New York meldet, in einer dunklen Gasse gefunden. Der Kopf war fast gänzlich vom Rumpf abgetrennt, genau so, wie es bei den vorhergehenden sieben Frauen der Fall gewesen war. Die Tochter der Ermordeten sagte aus, dass sie ebenfalls am Sonnabend abend von einem grossen, stark gebauten und gut gekleideten Neger verfolgt worden wäre, der sie beim Laufen in den Rücken stach. Dies ist die einzige Spur, die die Polizei über den Täter dieser merkwürdigen Reihe von Verbrechen erhalten hat. In jedem einzelnen Falle scheint sich der Mörder am Abend hinter die Opfer, die sämtlich hübsche Mulattinnen waren, geschlichen zu haben. Indem er sie bei den Haaren festhielt, durchschnitt er ihnen mit einem Rasiermesser die Hauptschlagader am Halse, ehe er seine Opfer verstümmelte.

Über eine ganze Anzahl rasch hintereinander and offenbar von den nämlichen Individuen verübter Messerattentate gegen Mädchen und Frauen, die offenbar sexualpathologischen Motiven entsprangen, wird in den Berliner Zeitungen vom Februar 1909 ausführlich berichtet. Die Gesamtzahl der - stets in typischer Weise verübten Attentate belief sich in der Zeit vom 9. bis 18. Februar auf nicht weniger als 26, wovon am ersten Tage 6, am 12. und 13. Februar je ein Überfall zu verzeichnen war, an den nächstfolgenden Tagen 5, 7 und 6. Bei den Überfällen des ersten Tages wurde eine 30 jährige Arbeiterfrau durch einen Stich über der Lendengegend mit Verletzung einer Schlagader tödlich verwundet, während die übrigen Verletzungen meist leichterer Natur waren. Natürlich fehlte es auch bald nicht an Attentatmeldungen, die auf Erdichtung oder auf Autosuggestion als Folge des in der Stadtgegend ausgebrochenen Schreckens beruhten. Der Täter wurde, wie ja meist in derartigen Fällen, nicht ermittelt. Dass er seine Überfälle plötzlich einstellte, ist wohl weniger (wie die Zeitungen damals annahmen) auf die Furcht vor polizeilichen Nachforschungen zurückzuführen, als auf das jähe Erlöschen und Abbrechen des psychopathologischen Zustandes, in dem und aus dem heraus er in kurzer Zeit und in rascher Aufeinanderfolge diese Massendelikte beging - aller Wahrscheinlichkeit nach eines epileptischen Dämmerzustandes. Von Geisteskranken neigen neben Schwachsinnigen vor allem Epileptiker zur Mädchenstecherei, da sie an starkem Sexualtrieb und heftigen Impulsen zu Gewalttaten, überdies an Trübung und Aufhebung des Bewusstseins leiden. - In dieser Beziehung recht belehrend war ein um 2 Jahre weiter zurückliegendes Berliner Vorkommnis. Es wurden damals an einem Nachmittag (26. Juli 1907) drei im Alter von 3 bis 5 Jahren stehenden Mädchen schwere Ver-

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