Weibliche Grausamkeit. Sadismus und Masochismus des Weibes.

Dass dem weiblichen Geschlechte, wohl im Zusammenhange mit der ein tertiäres Geschlechtsmerkmal bildenden grösseren Sensitivität, ein gewisser Hang zur Grausamkeit innewohnt, und dass sich dieser Hang namentlich den eigenen Geschlechtsgenossinnen gegenüber mit Vorliebe betätigt, ist eine in der Geschichte und im täglichen Leben tausendfach bestätigte Erfahrung. Wo dabei eifersüchtiger Hass gegen eine Nebenbuhlerin und Schönheitskonkurrentin oder Rachsucht ins Spiel kommen, kann die Grausamkeit sich ins Megärenhafte, ja ins Bestienhafte hinein steigern.

Schon der hellenischen Mythologie sind derartige Züge nicht fremd, nlan denke an die unerbittliche Rachsucht Iunos, an Venus und Psyche, an Antiope und Dirke, an Medea und Kreusa. Ebensowenig fehlen sie im deutschen Volksmärchen mit seinen unzähligen bösen Königinnen, Stiefmüttern und Schwiegermüttern. Das deutsche Volksepos bringt den gleichen Zug u. a. in der Misshandlung Gudruns durch die böse Königin Gerlinde zur Geltung. Unter den grossen Dramatikern der Weltliteratur haben solchen zur Dämonie des Hasses und erbarmungsloser Vernichtung verzerrten Weibnaturen u. a. Aischylos im Agamemnon, Euripides in den Bakchen, in der Hekabe und im Hippolytos, Shakespeare in Macbeth und Titus Andronicus, Corneille in Rodogune, Racine in Andromaque und Athalie, Kleist in der Penthesilea, Hebbel in den Nibelungen, Grillparzer in Medea, B. Klein in Heliodora, d’Annunzio in „la Gloria“, Oskar Wilde in der Salome machtvollen Ausdruck verliehen.

Dass in der Tat das Weib, wenn es durch Gehässigkeit, Neid, Eifersucht und Rachsucht angestachelt, wenn es von der in ihm schlummernden Herrschsucht oder von religiösem Fanatismus gepackt ist, über alle Schranken der Menschlichkeit hinaus und zu mänadenhaften Untaten fortgerissen wird, das lehren die blutgetränkten Blätter der Geschichte seit den sagenhaften Zeiten der Semiramis bis in unsere Tage. Man denke nur an die Haremsintriguen und die Grausamkeitsorgien siegreicher Rivalinnen in alter und neuer Zeit, am

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