peitschen. Die „gütige“ (Czarin Elisabeth lässt ihre Nebenbuhlerin Frau von Lapuchin, die „schönste Frau des Hofes“ unter dem Deckmantel einer politischen Intrigue öffentlich knuten, und ihr dann noch die Zunge ausreissen. In dem fast ein Jahrhundert gynäkokratisch regierten, halbbarbarischen Russland begeben sich noch zahllose, nicht minder erbauliche Dinge; selbst die doch westlicher Kultur entstammende grosse Katharina geisselt das mit einem ihrer Günstlinge überraschte Fräulein Bruce eigenhändig, lässt Fräulein Buturlin wegen einer witzigen Karrikatur auf die Kaiserin vor versammeltem Hofe durch Pagen auspeitschen, und die mit ihrem Günstling Momonow verheiratete schöne Fürstin Tscherbatow einer Indiskretion wegen bei Nacht von sieben als Weiber verkleideten Moskauer Polizisten aus dem Ehebett reissen und vor den Augen ihres zum entsetzten Zuschauen verurteilten Gatten mit Ruten züchtigen.

Sehr bezeichnend ist eine Skandalaffäre, die sich in Frankreich unter dem roi soleil, Ludwig dem Vierzehnten, abspielte und damals viel Akten- und Pamphletstaub aufwirbelte1). Es handelte sich um eine bittere Verfeindung zwischen zwei früheren Freundinnen, der Dame de Liancourt und der Marquise Tresnel. Jene, eine schöne geistvolle Frau, sollte die Marquise durch einige auf deren Lebenswandel bezügliche satirische Bemerkungen gekränkt haben. Die Marquise lauert ihrer Gegnerin mit bewaffnetem Gefolge auf der Landstrasse auf, lässt sie aus der Kutsche herausreissen, von ihren Lakaien niederstrecken, schmachvoll entblössen und auspeitschen; ob bei dieser Gelegenheit noch, wie in der Anklageschrift angedeutet wird, ein unsittliches Attentat durch einen der Lakaien - einen Neger - an ihr verübt wurde, ist nicht sicher erwiesen.

Ein Jahrhundert später rächt sich eine andere Marquise an dem Chevalier von Boufflers für ein sanglantes Epigramm, indem sie ihn vor ihren Augen von Lakaien durchpeitschen lässt - wofür er übrigens in geschickter Weise Repressalien zu üben versteht2). Madame du Barry lässt unter buchstäblicher Ausnutzung eines von ihrem königlichen Liebhaber hingeworfenen Wortes ihre frühere Freundin, die Marquise de Rozen, die als Hofdame einer Prinzessin (der Gräfin von Provence) sie neuerdings „geschnitten“ hat, durch vier Kammermädchen aufgreifen und energisch ausstäupen. Man erinnert sich vielleicht, dass vor etwas über zwanzig Jahren Sarah Bernhardt ihre Kollegin und abtrünnig gewordene Freundin Marie Colombier in deren Wohnung überfiel und mit einer ähnlichen Züchtigung bedrohte.


1) Vgl. Gayet de Pitaval, Causes celèbres et interessantes, Amsterdam et Lièges 1755. Tome 3, pag. 348.

2) La chronique scandaleuse, ou mémoires pour servir a l’histoire de la generation présente. Paris 1780, I-III, pag. 11-13.

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