häufigen Koitus sich hirudines ad pudenda [Blutegel an die Schamteile] zu setzen. Schliesslich verfiel dieses Weib in tiefe Anämie und wurde angeblich dadurch irrsinnig.

In sehr bezeichnender Weise zeigt diesen Zusammenhang zwischen Wollust und Grausamkeit mit Drang, Blut zu vergiessen und Blut zu sehen, folgender meiner Klientel entlehnter Fall.

Beobachtung 25. Herr X., 25 Jahre alt, stammt von luetischem, an Dem. paralytica gestorbenem Vater und konstitutionell hystero-neurasthenischer Mutter. Er ist ein schwächliches, konstitutionell neuropathisches, mit mehrfachen anatomischen Degenerationszeichen behaftetes Individuum. Schon als Kind Anwandlungen von Hypochondrie und Zwangsvorstellungen. Später beständiger Wechsel zwischen exaltierten und deprimierten Stimmungen. Schon als Junge von 10 Jahren fühlte Pat. einen sonderbaren wollüstigen Drang, Blut aus seinen Fingern fliessen zu sehen. Er schnitt oder stach sich deshalb öfters in die Finger und fühlte sich dann ganz beseligt. Schon früh gesellten sich dazu Erektionen, desgleichen, wenn er fremdes Blut sah, z. B. ein Dienstmädchen sich in den Finger schnitt. Das machte ihm besonders wollüstige Empfindungen. Seine vita sexualis regte sich nun immer mächtiger. Ganz ohne Verführung begann er zu onanieren, dabei kamen ihm jeweils Erinnerungsbilder blutender Frauenzimmer. Es genügte ihm nun nicht mehr, sein eigenes Blut fliessen zu sehen. Er lechzte nach dem Anblick des Blutes junger Frauenspersonen, besonders solcher, die ihm sympathisch waren. Er konnte sich oft kaum bezwingen, zwei Cousinen und ein Stubenmädchen nicht zu verletzen. Aber auch an und für sich nicht sympathische Frauenzimmer riefen diesen Drang hervor, wenn sie ihn durch besondere Toilette, Schmuck, namentlich Korallenschmuck, reizten. Es gelang ihm, diesen Gelüsten zu widerstehen, aber in seiner Phantasie waren blutige Gedanken beständig gegenwärtig und unterhielten wollüstige Erregungen. Ein innerer Zusammenhang bestand zwischen beiden Gedanken und Gefühlskreisen. Oft kamen auch anderweitige grausame Phantasien, z. B. er dachte sich in die Rolle eines Tyrannen, der das Volk mit Kartätschen zusammenschiessen liess. Er musste sich die Szene ausmalen, wie es wäre, wenn Feinde eine Stadt überfallen, die Jungfrauen schänden, martern, töten, rauben würden. In ruhigeren Zeiten schämte und ekelte sich der sonst gutmütige und ethisch nicht defekte Patient vor solchen grausam wollüstigen Phantasien, gleichwie sie auch sofort latent wurden, sobald er durch Masturbation seiner sexuellen Erregung Befriedigung verschafft hatte.

Schon nach wenigen Jahren war Pat. neurasthenisch geworden. Nun genügte ihm die blosse Phantasievorstellung von Blut und Blutszenen, um zur Ejakulation zu gelangen. Um sich von seinem Laster und seinen zynisch grausamen Phantasien zu befreien. trat Pat. in sexuellen Verkehr mit weiblichen Individuen. Koitus war möglich, aber nur, wenn Pat. sich vorstellte, das Mädchen blute aus den Fingern. Ohne Zuhilfenahme dieser Phantasievorstellung wollte sich keine Erektion einstellen. Die grausamen Gedanken, hineinzuschneiden, beschränkten sich auf die Hand des Weibes. In Zeiten höchst gesteigerter sexueller Erregung genügte der Anblick einer sympathischen Frauenhand, um die heftigsten Erektionen hervorzurufen. Erschreckt durch populäre Lektüre über die schädlichen Folgen der Onanie und abstinierend, verfiel Pat. in einen Zustand schwerer allgemeiner Neurasthenie mit hypochondrischer Dysthymie, taed. vitae. Eine komplizierte und wachsame ärztliche Behandlung stellte binnen Jahresfrist den Kranken wieder her. Er ist seit 3 Jahren psychisch gesund, ist nach wie vor sexuell sehr bedürftig, aber nur selten mehr von seinen früheren blutdürstigen Ideen heimgesucht. Der Masturbation hat X. ganz entsagt. Er

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