Von ganz besonderem Interesse für die wissenschaftliche Begründung des Sadismus ist ein von Moll bearbeiteter, von mir als Beob. 29 in der 9. Aufl. dieses Werkes berichteter, von Moll neuerdings selbst in seinem Werke über "Libido sexualis" p. 500 publizierter Fall. Derselbe deckt deutlich erkennbar eine der verborgenen Wurzeln des Sadismus auf, den Drang zur schrankenlosen Unterwerfung des Weibes, welcher hier bewusst geworden ist. Dies ist um so merkwürdiger, da es sich hier um ein schüchternes, im sonstigen Leben möglichst bescheiden, ja ängstlich auftretendes Individuum handelt. Der Fall zeigt auch deutlich, dass eine starke, ja das Individuum über alle Hindernisse mit sich fortreissende Libido vorhanden sein kann, während gleichzeitig der Koitus nicht begehrt wird, weil der Hauptton des Gefühls auf den grausamen Teil des sadistischen, wollüstig-grausamen Vorstellungskreis ab origine gefallen ist. -
Dieser Fall enthält gleichzeitig schwache Elemente von Masochismus (s. unten).

Die Fälle sind übrigens durchaus nicht selten, in denen Männer mit perversen Neigungen mittelst hoher Bezahlung Prostituierte bewegen, sich von ihnen flagellieren und selbst blutig verwunden zu lassen. Die Werke, die sich mit der Prostitution beschäftigen, enthalten darüber Berichte. So Coffignon, la corruption à Paris etc.

d) Besudelung weiblicher Personen.

Mitunter äussert sich der perverse sadistische Trieb, Frauen zu beschädigen und verächtlich, demütigend zu behandeln in dem Drange, dieselben mit ekelhaften oder wenigstens beschmutzenden Dingen zu besudeln.

Hierher gehört der folgende von Arndt (Vierteljahrschr. f. ger. Medizin, N. F. XVII, H.1) veröffentliche Fall.

Beobachtung 32. Stud. med. A. in Greifswald accusatus quod iterum iterumque puellis honestis parentibus natis in publico genitalia sua e bracis dependentia plane nudata quae antea summo amiculo (Paletotschösse) tecta erant, ostenderat. Nonnunquam puellas fugientes secutus easque ad se attractas urina oblivit. Haec luce clara facta sunt; nunquam aliquid haec faciens locutus est. [wurde angeklagt, wieder und wieder Mädchen aus gutem Hause an der Öffentlichkeit seine aus den Unterhosen hängenden entblößten Genitalien gezeigt zu haben, die er vorher mit seinen Paletotschößen bedeckt gehalten hatte. Manchmal verfolgte er die fliehenden Mädchen, zog sie an sich und urinierte auf sie. Das geschah bei Tageslicht; niemals sprach er ein Wort, wenn er den Mädchen gegenüberstand.]

A. ist 23 Jahre alt, kräftig von Körper, sauber im Anzug, dezent in seinen Manieren. Andeutung von Cranium progeneum. Chronische Pneumonie der rechten Lungenspitze. Emphysem. Puls 60, in der Erregung nur 70-80 Schläge. Genitalien normal. Klage über zeitweise Verdauungsstörungen, Hartleibigkeit, Schwindel, exzessive Erregung des Geschlechtstriebes, die schon früh zur Onanie führte, nie aber, auch in der Folge nicht, auf naturgemässe Befriedigung desselben gerichtet war. Klagen über zeitweise melancholische Verstimmung, selbstquälerische Gedanken und perverse Antriebe, zu denen er

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