selbst kein Motiv finden könne, z. B. zum Lachen bei ernsten Veranlassungen, sein Geld ins Wasser zu werfen, im strömenden Regen umherzulaufen.
Der Vater des Inkulpaten ist von nervösem Temperament, die Mutter nervösem Kopfweh unterworfen. Ein Bruder litt an epileptischen Krämpfen.
Inkulpat zeigte von Jugend auf nervöses Temperament, war zu Krämpfen und Ohnmachten geneigt, geriet in Zustände von momentaner Erstarrung, wenn er hart getadelt wurde. 1869 studierte er Medizin in Berlin. 1870 machte er als Lazarettgehilfe den Krieg mit. Seine Briefe aus dieser Zeit verraten eine auffallende Schlaffheit und Weichheit. Bei der Rückkehr nach Hause im Frühjahr 1871 fällt seine Gemütsreizbarkeit der Umgebung auf. In der Folge häufig Klagen über körperliche Beschwerden, Unannehmlichkeiten wegen eines Liebesverhältnisses. Im November 1871 lebte er in Greifswald eifrig seinen Studien. Er galt als ein höchst anständiger Mensch. In der Haft ist er ruhig, gelassen, zeitweise in sich versunken. Seine Handlungen schiebt er auf Rechnung von peinigenden und in letzter Zeit exzessiven geschlechtlichen Regungen. Seiner unzüchtigen Handlungen sei er sich wohl bewusst gewesen und habe sich ihrer hinterher geschämt. Eine wirkliche geschlechtliche Befriedigung habe er dabei nicht empfunden. Einer rechten Einsicht in seine Lage wird er sich nicht bewusst. Er betrachtete sich als eine Art Märtyrer, der einer bösen Macht zum Opfer gefallen ist. Annahme von Aufhebung der freien Willensbestimmung.

Dieser Besudelungsdrang kommt auch bei paradoxen, im Greisenalter wieder erwachenden Geschlechtstrieb vor, der sich ja so oft gleichzeitig auf perverse Art äussert.

So berichtet Tarnowsky (op. cit. p. 76) folgenden Fall:

Beobachtung 33. Ich kannte einen solchen Patienten, der ein mit einem dekolletierten Ballkleid geputztes Frauenzimmer sich in einem hell erleuchteten Zimmer auf ein niedriges Sofa hinlegen liess. Ipse apud janum alius cubiculi obscurati constitit adspiciendo aliquantulum feminam, excitatus in eam insiluit et excrementa in sinus eius deposuit. Haec faciens ejaculationem quandam se sentire confessus est. [Sorry, da muss ich passen, K.P.]

Ein Wiener Gewährsmann teilt mir mit, dass Männer Prostituierte mittels hoher Bezahlung dazu bringen, zu dulden, ut illi viri in ora earum spurent et faeces et urinas in ora explerent [dass jene Männer ihre Münder besudelten und Kot und Urin darin entleerten]. 1)

Hierher scheint auch der folgende Fall des Dr. Pascal (Igiene dell' amore) zu gehören.

Beobachtung 34. Ein Mann hatte eine Geliebte. Seine einzigen Beziehungen zu dieser bestanden darin, dass sie sich mit Kohle oder Russ die Hände von ihm schwärzen liess, dann musste sie sich vor einen Spiegel setzen, so dass er ihre Hände in diesem sehen konnte. Während einer oft längeren Konversation mit der Geliebten schaute er unverwandt nach dem Spiegelbild ihrer Hände und empfahl sich dann nach einiger Zeit sehr befriedigt.
Bemerkenswert in dieser Art dürfte folgender, mir von ärztlicher Seite mitgeteilter Fall sein: Ein Offizier war in einem Lupaner zu K. nur unter dem Namen "Oel" bekannt. Oel erzielte Erektion und Ejakulation einzig da-


1) LeoTaxil, La Corruption, Paris, Noiret, macht p. 223 dieselben Angaben. Es gibt auch Männer, die introductio linguae meretricis in anum [Einführung der Zunge der Prostituierten in den Anus] verlangen.

91 92 93

Index & Copyrighthinweise