Grausamkeit fliesst ja aus verschiedenen Quellen und ist dem primitiven Menschen natürlich. Mitleid ist dem gegenüber die sekundäre Erscheinung und spät erworbene Empfindung. Der Kampf- und Vernichtungstrieb, der für die prähistorischen Zustände eine so wertvolle Ausrüstung war, wirkt noch lange nach und erhält durch Kulturbegriffe wie "der Verbrecher" noch neue Objekte, während sein ursprüngliches Objekt "der Feind" noch da ist. Dass nicht die blosse Tötung, sondern die Marter des Unterlegenen verlangt wird, erklärt sich teils aus dem Machtgefühl, das sich auf diesem Wege befriedigt, teils aus der Masslosigkeit des Vergeltungstriebes. So lassen sich alle Greuel und alle historischen Ungeheuer erklären, ohne auf den Sadismus zu rekurrieren (der ja öfters im Spiele gewesen sein mag, aber als relativ seltene Perversion nicht vorausgesetzt werden darf).

Daneben ist noch ein starkes psychisches Element zu berücksichtigen, welches namentlich die Anziehungskraft erklärt, die heute noch Hinrichtungen u. dgl. ausüben; das ist die Lust am starken und ungewöhnlichen Eindruck überhaupt, am seltenen Schauspiel, der gegenüber das Mitleid in rohen oder abgestumpften Naturen schweigt.

Es gibt aber unzweifelhaft sehr viele Individuen, auf die, trotz oder gerade vermittelst ihres lebhaften Mitleidens alles, was mit Tod und Qualen zusammenhängt, eine geheimnisvolle Anziehungskraft hat, die innerlich widerstrebend und doch einem dunklen Drange folgend, sich mit solchen Dingen oder wenigstens Bildern und Berichten davon zu beschäftigen trachten. Auch dies ist noch nicht Sadismus, so lange dabei kein sexuelles Element ins Bewusstsein tritt, obwohl möglicherweise dunkle Fäden im Unbewussten solche Erscheinungen mit einem verborgenen Untergrund des Sadismus verbinden mögen.

i) Sadismus des Weibes

Dass Sadismus - eine, wie wir gesehen haben, beim Manne häufige Perversion - beim Weibe weit seltener vorkommt, ist leicht erklärlich. Einmal stellt der Sadismus, in welchem das Bedürfnis nach Unterwerfung des anderen Geschlechtes ein konstuierendes Element bildet, seiner Natur nach eine pathologische Steigerung des männlichen Geschlechtscharakters dar. zweitens sind die mächtigen Hindernisse, die sich der Aeusserung des monströsen Triebes entgegenstellen, begreiflicherweise für das Weib noch grösser als für den Mann.

Gleichwohl kommt Sadismus des Weibes vor und lässt sich recht wohl aus dem ersteren konstitutiven Element des Sadismus, der allgemeinen Uebererregung der motorischen Sphäre, allein erklären.

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