tritt Dann muss der Fall eben durch die oben unter "zweitens" und "drittens" angeführten Umstände charakterisiert sein, um als masochistischer zu gelten.

Ist über die Entstehungsart des Falles nichts näheres bekannt, so können Nebenumstände, wie die oben unter "zweitens" angeführten, ihn doch deutlich als einen masochistischen erkennen lassen. Dies gilt z. B. von den beiden folgenden Fällen.

Beobachtung 54. Ein Kranker Tarnowskys liess durch eine Vertrauensperson eine Wohnung für die Dauer seiner Anfälle mieten und das Personal (8 Prostituierte) genau instruieren, was mit ihm zu geschehen habe. Er erschien zeitweise, wurde entkleidet, masturbiert, flagelliert, wie es befohlen war. Er leistete anscheinend Widerstand, bat um Gnade, dann gab man ihm befohlenermassen zu essen, liess ihn schlafen, behielt ihn aber trotz Protest da, schlug ihn, wenn er sich nicht fügte. So ging es einige Tage. Mit Lösung des Anfalls wurde er entlassen und kehrte zu Frau und Kindern zurück, die von seiner Krankheit keine Ahnung hatten. Der Anfall wiederholte sich 1-2mal jährlich. (Tarnowsky - op. cit.)

Beobachtung 55. X., 34 Jahre, schwer belastet, leidet an konträrer Sexualempfindung. Aus verschiedenen Gründen war er nicht in der Lage, sich am Manne zu befriedigen, trotz grossem sexuellem Bedürfnis. Gelegentlich träumte ihm, ein Weib geissle ihn. Er hatte dabei eine Pollution.
Durch diesen Traum kam er dazu, als Surrogat für mannmännliche Liebe sich von Meretrices misshandeln zu lassen. Conducit sibi non nunquam meretricem, ipse vestimenta sua omnia deponit, dum puellae ultimum tegumentum deponere non licet, puellam pedibus ipsum percutere, flagellare, verberare iubet. Qua re summa libidine affectus pedem feminae lambit quod solum eum libidinosum facere potest: tum eiaculationem assequitur. [Hin und wieder mietet er sich eine Prostituierte, legt selbst alle seine Kleider ab, während er dem Mädchen nicht erlaubt, sich ganz zu entkleiden, und befiehlt dem Mädchen, ihn zu treten, zu peitschen und zu schlagen. Hierdurch von höchster Lust ergriffen leckt er den Fuß der Frau, was ihn allein erregen kann: darauf folgt die Ejakulation.] Mit dieser tritt grösster Ekel an der moralisch entwürdigenden Situation ein, der er sich dann, so rasch als möglich ist, entzieht.

Beobachtung 56. Ein den höheren Ständen angehöriger 28 Jahre alter Herr erscheint alle 3-4 Wochen im Lupaner, wo er sich vorher mit einem Billet doux folgenden Inhalts ankündigt: "Liebes Gretchen! ich komme morgen abend zwischen 8 und 9 Uhr. Knute und Peitsche! Herzlich grüssend . . . . ."
X. erscheint zur bestimmten Zeit mit Lederriemen, Reitpeitsche und Knute. Er zieht sich aus, lässt sich mit den beigebrachten Riemen an Händen und Füssen fesseln und dann von der Puella mit den betreffenden Instrumenten so lange auf Fusssohlen, Waden, Podex Streiche versetzen, bis die Ejakulation erfolgt. Irgend einen anderen Wunsch äusserte er nie.
Dass diesem Mann die Flagellation nur Mittel zum Zweck der Befriedigung masochistischer Gelüste ist und nicht ein Kunstgriff zur Herstellung seiner Potenz, geht u. a. daraus hervor, dass er sich fesseln lässt und den Koitus einfach verschmäht.
In seinem masochistischen Ideenkreis genügt die von ihm bestellte Unterwerfungssituation, um, als Aequivalent eines normalen Geschlechtsaktes, via Phantasie den nötigen Orgasmus zu erzielen, wobei die Flagellation als stärkstes Ausdrucksmittel für die Situation des Unterworfenseins unter den Willen einer anderen Person offenbar die Hauptrolle spielt. Immerhin lässt sich vermuten, dass die Flagellation durch reflektorische Reizung des spinalen Ejakulationszentrums zur Finalisierung des den Koitus vertretenden Aktes etwas beiträgt.

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