Es ist deshalb geboten, zu untersuchen, in welchem Verhältnisse die passive Flagellation der Masochisten zu jener psychisch nicht perverser, aber physisch geschwächter Wüstlinge steht.

Dass Masochismus etwas wesentlich anderes und umfassenderes sei, als die blosse Flagellation, geht aus den Mitteilungen der von dieser Perversion Ergriffenen deutlich hervor.

Für den Masochisten ist die Unterwerfung unter das Weib die Hauptsache, die Misshandlung nur ein Ausdrucksmittel für dieses Verhältnis und zwar eines der stärksten. Die Handlung hat für ihn symbolischen Wert und ist Mittel zum Zweck seelischer Befriedigung im Sinne seiner besonderen Gelüste.

Der nicht masochistisch Geschwächte hingegen, der sich flagellieren lässt, sucht nur eine mechanisch vermittelte Reizung seines spinalen Zentrums.

Ob in einem einzelnen Falle einfacher (reflektorischer) Flagellantismus oder wirklicher Masochismus vorliegt, wird durch die Aussagen der Betreffenden, oft schon durch die Nebenumstände der Handlung klar.

Es kommt hier namentlich auf folgendes an:

Erstens besteht beim Masochisten der Trieb zur passiven Flagellation fast immer ab origine. Er taucht als Wunsch auf, bevor eine Erfahrung über reflektorische Wirkung der Prozedur gemacht wurde, oft zuerst in Träumen, wie z. B. in der unten folgenden Beobachtung 55.

Zweitens ist beim Masochisten in der Regel die passive Flagellation nur eine von den vielen und verschiedenartigen Misshandlungen, welche im Vorstellungskreise des Masochisten als Phantasien auftauchen und oft verwirklicht werden. Bei diesen anderen Misshandlungen und den häufigen rein symbolische Demütigungen ausdrückenden Akten, die neben der Flagellation angewendet werden, kann von einer reflektorischen physischen Reizwirkung natürlich nicht die Rede sein; es ist also in solchen Fällen stets auf die originäre Anomalie, die Perversion zu schliessen.

Drittens ist der Umstand von Bedeutung, dass die ersehnte Flagellation beim Masochisten, wenn ausgeführt, gar nicht aphrodisisch zu wirken braucht. Es tritt sogar oft mehr oder minder deutlich eine Enttäuschung ein, und zwar jedesmal, wenn die Absicht des Masochisten nicht gelingt, sich durch diesen bestellten Vorgang die Illusion der ersehnten Situation (in der Gewalt des Weibes zu sein) zu verschaffen, so dass ihm das mit der Prodezur beauftragte Weib nur als das exekutive Werkzeug seines eigenen Willens erscheint. Vergleiche in bezug auf diesen wichtigen Punkt die vorangehenden Fälle und unten Beobachtung 58.

Zwischen Masochismus und einfachem (reflektorischem) Flagellantismus besteht ein analoges Verhältnis wie etwa zwischen konträrer Sexualempfindung und erworbener Päderastie.

Es benimmt dieser Anschauung nichts an Wert, dass auch beim Masochisten die Flagellation die bekannte reflektorische Wirkung haben kann, dass mitunter bei Gelegenheit einer in der Jugend erhaltenen Züchtigung auf diesem Wege die Wollust zum erstenmale geweckt wird und gleichzeitig dabei die masochistisch veranlagte Vita sexualis aus ihrer Latenz

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