Ich sehe es im Geiste, wie beim Lesen dieser Zeilen Ihre Lippen sich spöttisch bewegen, wie ein mit Hohn gemischter Strahl der Wollust aus Ihren Augen aufleuchtet. Der kleine Fuss in eleganter Chaussure zuckt und tritt fester auf den Teppich nieder, die kleine Hand ballt sich und umklammert den Stil einer Hundepeitsche und zwischen den Zähnen tönt es hervor: O, ich verstehe dich, Sklave, ich begreife dein Winselen, Hund! hätte ich dich nur hier unter meinem Fuss! Du würdest erkennen, dass dein Sehnen dich nicht trug; ich bin das Weib, das Herrin zu sein vermag. Ich verstehe deine Wollust, du Sklave, ich verstehe dein knechtisches Empfinden, du Hund. wie ich die Wollust als Herrscherin kenne, wie ich den Genuss der grausamen Despotie verstehe und schätze Mit meinem Stiefelabsatz wollte ich dir dein rechtes Auge austreten und du müsstest das Blut von meinem Stiefelabsatz lecken, Hund! Scharfe Sporen wollte ich an meine Stiefeletten schnallen und dich mit ihnen zerfleischen und auch die musstest du wieder blank lecken und noch ganz andere Dinge müsste deine Zunge mir leisten! Mein Speichel sollte deine Nahrung sein, das Wasser deiner Herrin dein Getränk! Du solltest und wolltest dein Ideal in mir finden!
Ich bitte demütig um eine Antwort, liege zu Ihren Füssen, lecke die Absätze Ihrer Stiefeletten, Madame, und bin ihr Sklave, ihr Hund."

Der Schreiber dieser Zeilen, 32 Jahre alt, den gebildeten Ständen angehörig, erklärt von Kindheit auf solche perverse Ideen gehabt und in Sacher-Masochs Schriften nur Seibstempfundenes wiedergefunden zu haben. Er hält sein perverses Fühlen, sein Schwelgen in solchen Phantasien für die Quintessenz der Wollust. Angeblich hat er zahlreiche Männer gefunden, die ebenso fühlten wie er, und bedauert nur, dass so selten ein Weib zu finden sei, das dem Ideal eines Masochisten entsprechen würde.

Ausser Sacher-Masochs Schriften verweist er auf "Gräfin Aranka" von Balduin Groller, auf Richepin "la Glu" u. a.

In einem Brief an einen anderen Masochisten schlägt dieser seltsame Schwärmer vor, nach Gesinnungsgenossen und nach sadistisch gestimmten Frauen zu suchen, um dann eine geschlossene Gesellschaft nach Art des Ordens von Fontevrault zu gründen.

Solche Fälle, in welchen sich die ganze Perversion der Vita sexualis nur auf dem Gebiete der Phantasie, des inneren Vorstellungs- und Trieblebens abspielt und nur ganz zufällig einmal zur Kognition anderer kommt, scheinen nicht selten zu sein. Ihre praktische Bedeutung, wie die des Masochismus überhaupt (welchem ja das hohe forensische Interesse des Sadismus nicht zukommt), liegt lediglich in der psychischen Impotenz, welcher solche Individuen durch ihre Perversion in der Regel verfallen und in dem mächtigen Drange zur solitären Befriedigung unter adäquaten Phantasievorstellungen, mit allen seinen Folgen.

Dass Masochismus eine ungemein häufig auftretende Perversion sei, geht wohl zur Genüge aus der relativ grossen Zahl der bisher wis-

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