Firnis unserer Salonsitten ist überall der Instinkt der Frauendienstbarkeit erkennbar.

So liegt es nahe, den Masochismus überhaupt als eine pathologische Wucherung spezifisch weiblicher psychischer Elemente anzusehen, als krankhafte Steigerung einzelner Züge des weiblichen psychischen Geschlechtscharakters, und seine primäre Entstehung bei diesem Geschlechte zu suchen (s. unten Anm. zu p. 153).

Als feststehend kann aber wohl angenommen werden, dass eine Neigung zur Unterordnung unter den Mann (die ja als erworbene zweckmäsige Einrichtung, als Anpassungserscheinung an soziale Tatsachen gelten kann) beim Weibe bis zu einem gewissen Grade als normale Erscheinung sich vorfindet.

Dass es unter solchen Umständen nicht öfter zur "Poesie" symbolischer Unterwerfungsakte kommt, hat seinen Grund teilweise darin, dass der Mann nicht die Eitelkeit des Schwachen besitzt, der die Sachlage zur Ostentation seiner Macht benützen würde (wie die Damen des Mittelalters gegenüber den minnedienenden Rittern), sondern lieber reelle Vorteile herausschlägt. Der Barbar lässt die Frau für sich ackern, der Kulturphilister spekuliert auf ihre Mitgift. Beides trägt sie willig.

Fälle pathologischer Steigerung dieses Instinktes der Unterordnung im Sinne eines Masochismus des Weibes dürften oft genug vorkommen, werden aber in ihren Entäusserungen durch die Sitte reprimiert. Uebrigens tun viele junge Frauen nichts lieber, als vor ihren Männern oder Geliebten auf den Knien zu liegen. Bei allen slavischen Völkern sollen sich die Weiber der niederen Stände unglücklich fühlen, wenn sie von ihren Männern nicht geprügelt werden.

Ein ungarischer Gewährsmann teilt mir mit, dass die Bäuerinnen des Somogyer Komitates sich nicht eher von ihrem Manne geliebt glauben, bevor sie nicht die erste Ohrfeige als Liebeszeichen erhalten haben.

Beobachtungen von Masochismus des Weibes beizubringen, dürfte dem ärztlichen Beobachter schwer fallen1). Innere und äussere Widerstände, Schamgefühl und Sittsamkeit stellen naturgemäss beim Weibe dem Durchbruch perverser sexueller Triebe nach aussen fast unüberwindliche Hindernisse entgegen.

So kommt es, dass bis jetzt nur folgende Fälle von Masochismus des Weibes wissenschaftlich konstatiert sind.


1) Seydel, Vierteljahrschr. f. ger. Med. 1883, H. 2, führt als Beispiel von Masochismus Dieffenbachs Kranke an, die sich wiederholt den Arm absichtlich luxierte, um bei der damals noch ohne Narkose ausgeführten Reduktion wollüstige Empfindungen zu haben.

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