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Entstehungsgeschichte, Definition

Zuerst muß zwischen Fetischismus2.2, dh spezialisiertes uU abweichendes Sexualverhalten, bei dem ausschließlich oder überwiegend bestimmte Objekte, zB Körperpartien (Haare, Fuß, Finger etc ) außerhalb der Genitalsphäre, Gegenstände (Kleidungsstücke) oder Materialien (Leder, Gummi), die mit dem Liebesobjekt zusammenhängen bzw dieses ersetzen, zur geschlechtlichen Erregung führen und Sadomasochismus unterschieden werden.

Im Grunde handelt es sich hierbei um zwei unterschiedliche Erscheinungsformen. Fetischismus2.3, also die Fixierung auf ein Objekt (zB Wäsche, Schuhe, diverse andere Gegenstände) als Genitalersatz kommt sehr oft vor und wird allgemein eher toleriert als SM. Beim Fetischismus kann es auch kaum zu strafrechtlich relevanten Verletzungen kommen, da es sich eher um den gedanklichen Effekt betreffend den Fetisch handelt und ein Partner zur Ausübung nicht unbedingt notwendig ist. Im Zusammenhang mit SM findet man aber auch großteils den Fetischismus als äußerliche Verstärkung der Merkmale für Top (zB Reitgerte am Gürtel, körperbetonende Kleidung als Machtsymbol) oder Bottom (zB Hundehalsband, Armfesseln, Leine) neben dem Sadomasochismus vor.

Die Begriffe Sadismus und Masochismus wurden von dem Psychiater Richard von Krafft-Ebing um 1886 geprägt. Er beschrieb in seinem Werk "Psychopathia Sexualis"2.4 ("sexuelle Geisteskrankheiten") zum ersten mal die Perversionen, die er als Gerichtspsychiater sah. Dabei handelte es sich aber ausschließlich um Verbrecher, Geisteskranke und Psychopathen, um Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Leute, die unauffällig, glücklich und zufrieden mit ihren Neigungen lebten, bekam er kaum zu Gesicht. Erst Ende1940 wurde man durch eine Umfrage von Kinsey2.5 zum Sexualverhalten auf Sadomasochisten aufmerksam, die sich stark von den von Krafft-Ebing untersuchten Menschen unterschieden.

Der Namengeber für den Sadismus ist der französische Schriftsteller Donatien-Alfonse-François Marquis de Sade (1740-1814). Er schildert in seinen Romanen phantasievoll grausame sexuelle Erscheinungsformen und Abarten bis hin zu Folter und Tötung und wird selbst als mit der Anomalie behaftet verstanden.

Sadismus wird als die Übertreibung der erotischen Lust zu beherrschen und zu quälen beschrieben, die namentlich das Männchen auch bei den Tieren häufig zeigt.2.6 Oder, Sadismus sei die Empfindung von sexuellem Lustgefühl bis zum Orgasmus beim Betrachten von Züchtigungen und anderen Grausamkeiten, verübt an einem/einer anderen, ihm/ihr Demütigung, Leid, Schmerz und Wunden widerfahren zu lassen.2.7 Oder, Sadismus als abweichendes Sexualverhalten, bei dem sexuelle Erregung und Befriedigung allein durch psychische Demütigung, Unterwerfung oder körperliche Mißhandlung und Züchtigung des Partners oder der Partnerin erreichbar ist. Therapeutische Notwendigkeit besteht nur bei eventuellem Leidensdruck2.8 oder Gefährdung von Beteiligten. Zu unterscheiden ist zwischen Sadismus im gegenseitigen Einvernehmen und Sadismus gegen den Willen des Partners iS einer Vergewaltigung oder Körperverletzung.2.9

Namengeber des Masochismus ist der österreichische Schriftsteller Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1835-1895). In seinen Novellen macht er diese eigene Art der Anomalie zum Gegenstand, wo er die Erlebnisse von sklavischen Männer mit grausamen, dominanten Frauen beschreibt. Masochismus wird als die Karikatur der (weiblichen) Unterwerfung und eines gewissen erotischen Vergnügens am Erdulden von Schmerzen beschrieben.2.10 Oder, es sei sexuell abartiges Verhalten, bei der man sexuelle Befriedigung durch das Erdulden von seelischen und/oder körperlichen Mißhandlungen und Peinigungen als passives Opfer erreicht.2.11 Oder, Masochismus als abweichendes Sexualverhalten, bei dem sexuelle Erregung und Befriedigung allein durch psychische Demütigung, Unterwerfung oder körperliche Mißhandlung und Züchtigung des Partners oder der Partnerin erreichbar ist. In der Spielbreite sexueller Erlebnisformen kommt die Verschmelzung von Schmerz und Lust regelmäßig vor.2.12

Der Begriff Sadomasochismus bezeichnet hingegen die Menschen, welche in einer sexuellen Minderheit zusammengefaßt, ihre Neigungen leben und sich nicht mit den von Krafft-Ebing und anderen Psychoanalytikern (Freud, Junghans, Borneman etc) beschriebenen "Krankheitsbildern" identifizieren wollen und können, denn wenn der M-Partner eines S Lust empfindet, dann weiß der S, daß sein Partner nicht der gedemütigte Leidende ist, den die Phantasie verlangt, sondern, daß es sich um ein gegenseitiges Spiel zur Befriedigung gleicher sexueller Interessen handelt.

SM wird zwar als Oberbegriff von Sadismus und Masochismus gesehen, er verdeutlicht aber auch, daß zwischen beiden Verhaltensweisen kein unüberbrückbarer Gegensatz, sondern Komplementarität besteht. Einvernehmliche Sadomasochisten wechseln daher auch häufig zwischen beiden Rollen2.13, was man dann "Switchen"2.14 nennt. Das heißt, daß die gleichen Personen einmal die aktive und ein anderes Mal die passive Rolle übernehmen, wobei dies nur für einvernehmlich handelnde Sadomasochisten und nicht für kriminelle Sadisten gilt2.15Es wird somit deutlich, daß das sadomasochistische Sexualverhalten auf einem Dominanz-Subordinantionsverhältnis beruht, also ein Beziehungsgeflecht auf Gegenseitigkeit darstellt und auf den vier Grundsätzen der Freiwilligkeit, des Vertrauens, der Verantwortung und der Kommunikation beruht.


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2000-10-19