Bisam

16.10.1997

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    Jahresübersicht 1997 | Monatsübersicht Oktober

  1. REZ Elle-Artikel über "Männer mit Doppelleben"
  2. Neuer SM-Neusletter in Hannover
  3. REZ SPIEGEL Spezial 10/1997 "Liebe, Laster, Literaten"

REZ Elle-Artikel über "Männer mit Doppelleben"

Die monatlich Frauenzeitschrift "Elle" berichtet in ihrer Oktoberausgabe auf Seite 144 von einer Frau, die erfährt, daß ihr Mann Sadomasochist ist und die wegen dieser Erkenntnis die Beziehung beendet. Autorin Hannelore Schütz stellt die 35jährige Kathrin S. vor, wie sie den abgeschlossenen Kleiderschrank ihres Geliebten Georg v.H., einem 41jährigen Forstwirt, aufsperrt und später seine Post öffnet. Nachdem sie mit einer Anzeige in seinem Lieblings-SM-Magazin Berge von Zuschriften bekommt, zieht sie aus, ohne einmal mit ihm über seine Neigung gesprochen zu haben.

Schütz liefert zu dieser Geschichte einige Ergänzungen aus eigener Recherche. So sagt sie, daß

    Eine ganz normale Suchmaschinie im Internet liefert auf einen einzigen Mausklick 4822 Treffer zum Thema "Sado-Maso-Bizarr", inklusive langer Anzeigenkolonnen.

Die Autorin gibt mehrere Beispiele für solche Anzeigen, zitiert eine Untersuchung der Grünen zu der Anzahl von Dominas unter den deutschen Prostituierten. Die Kunden dieser Dominas hätten ein hohes soziales Niveau, Sadomasochisten seien auch nur Männer:

    Es sind fast nur Männer, die diese zwei "Welten" in sich vereinen. Männer, die sich unauffällig verhalten, die gentlemanlike sind, vornehm-korrekt, denen man "so etwas" nie zugetraut hätte.

In dem Kasten "Was tun, wenn sein Doppelleben auffliegt" gibt die Münchener Familien- und Sexualtherapeutin Brigitte Lämmle folgende Ratschläge:

    Grundfalsch allerdings wäre dabei, ihm einfach nur zu sagen: Du allein mußt dich ändern, du bist schließlich der Kranke, nicht ich.

Lämmle will stattdessen, daß die Frau "Selbstforschung" betreibt um zu sehen, warum sie auf ihn herinfallen könne. Wer die Beziehung retten wollte, brauche eine gemeinsame Therapie, denn alleine würde das niemand schaffen.

Zu dem Bericht gibt es auf Seite 150 einen Kasten mit dem Titel "Sex mit Qual -- warum braucht er das?", in dem es über die Betroffenen unter anderem heißt:

    Männer, die ein Sex-Doppelleben führen, stammen oft aus sogenannten Zwangsfamilien, in denen Regeln rigide gehandhabt werden und Freiräume müsame errungene Mangelware sind. Auch Kinder aus Suchtfamilien [...] und überbehütete Einzelnkinder sind gefährdet. [...] Gummi, Peitschen, Klistiere -- die Lust auf gewalttätigen und/oder schmerzhaften, quälenden Sex kann sich zur Sucht nach immer extremeren, aufwendigeren Spielarten entwickeln. [...] Solche Männer beherrschen ihre Tarnung perfekt, denn bewußt lehnen sie ihr zweites Leben ab. Viel lieber wären sie "ganz normal", und das immer. [...] Männer mit derartigen Geheimnissen sind im Alltag konfliktscheu.

Unter der Rubrik "Elle stellt vor" auf Seite 28 findet sich neben einem Bild der Autorin folgender Text:

    Hannelore Schütz arbeitet als freie Autorin und hat mehrere Bücher verfaßt. Themenschwerpunkte sind die Sonnen- und Schattenseiten von Mann-Frau-Beziehungen. Für ELLE sah sie hinter die Fassade einer scheinbar wunderbar funktionierenden Partnerschaft. Aus dem Gespräch mit einer Betroffenen entwickelte sich eine faszinierend-schockierende Geschichte über eine ahnungslos glückliche Frau, die schließlich die dunklen Seiten ihres Mannes entdecken mußte.

    KOMMENTAR

Schütz hat in diesem Berich einmal die Vorurteilskiste zu ihrem Schreibtisch getragen und ihn über ihren Rechner ausgekippt. Diese Leistung sollte man nicht abwerten, denn ihre Vorurteilskiste ist ziemlich schwer gewesen. Ihre Ansichten sind die üblichen Klischees. Allerdings: Wie ausgerechnet eine /französische/ Frauenzeitschrift auf die Idee kommt, es gäbe keine Sadomasochistinnen, ist mir besonders schleierhaft.

Aber auch hier gilt wieder, daß Schütz mit dieser Meinung nicht nur duchkommen sondern sie auch weitergeben können wird, wenn man die Leitung der Zeitschrift nicht klar macht, wie daneben sie liegt. Da Schütz nicht fest angestellt ist, werden die Redakteure von Elle vermutlich besonders hellhörig sein, wenn man auf Fehler hinweist.

Die Leserbriefadresse:

Elle Leserbriefredaktion Arabellastraße 23 81925 München Deutschland

Elle hat auch eine Webseite, aber anscheinend keine Emailadresse, obwohl man sich dort ins Gästebuch eintragen kann:

    www.elle.de


Neuer SM-Neusletter in Hannover

Seit dem letzten Monat bringt der Arbeitskreis "SM und Kultur" der Hannoveraner Gruppe SMbH das Newletter "priS/Ma" heraus. Laut der /Depesche/ vom Oktober 1997 enthielt das erste Heft Berichte über Veranstaltungen , Musik-CD Kritik und "Betrachtungen grundsätzlicher Art". Die erste Auflage beträgt 250 Stück, ein Abonnement ist zur Zeit nicht möglich. Über Preis oder Erscheinungshäufigkeit lagen keine Angaben vor.


REZ SPIEGEL Spezial 10/1997 "Liebe, Laster, Literaten"

In dem SPIEGEL Spezial von 10/1997 mit dem Titel "Liebe, Laster, Literaten", das achte Literaturspecial aus dem Spiegel-Verlag, wird SM an mehreren Stellen erwähnt und zieht sich wie ein heimlicher roter Faden durch das Heft.

In seinem Bericht "Die Sittenrichter" zitiert Rolf Lamprecht wohlwollend die Definition von "Gewalt-Porno" des langjährigen Chefs der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPJS), Rudolf Stefen:

    Ihr westentlicher Inhalt besteht aus Sex mit Prügelszenen, Fesselungen, Auspeitschungen und Zerstückelung von Menschen.

Christian Buck füllt die ganze erste Seite seines Artikel über Comics "Diese Lust, diese Pein" mit Guido Crepax' gezeichnete Version der "Venus im Pelz" von Sacher-Masoch - seiner Ansicht nach das "Kultbuch der Sado-Maso Szene". Am Ende steht ein Zitat von de Sade. Beate Lakotta erwähnt in ihrer Auflistung der zensierten Bücher über die Jahrhunderte "Justine" von de Sade und weist unter "Sex in der Kohl-Ära" auf die Konfessierung von "Erotik Klassikern wie 'Die Geschichte der O' [sic]". Auch wenn Annette Meyhöfer über "Autorinnen, die nichts als Sex im Kopf haben" spricht, weist sie auf die "Geschichte der O" hin und auch auf Anne Rice' "Dornröschentrilogie".

Daniel Hagmann erzählt in seiner Buchrezension zu "The Art of Eric Stanton" von Eric Kroll

    Wenn einer den ganzen Abend Orangensaft trinkt, keinerlei Annährungsversuche unternimmt und dennoch eine Frau derartig elkttrisiert, daß sie ihn zu Bonden wirft und sich mit gespreizten Beinen auf seinen Brustkorb setzt, dann ist das entweder eine gut erfundene Geschichte -- oder aber sie entstammt der turbulenten Vita des Meisters erotischer Ilustration und des Comics, Eric Stanton, der just so 1968 seine zweite Frau Britt kennenlernte.

Der Spiegel hat auch sechs Bilder des kürzlich verstorbenen Fotographen Günter Blum [swl19970821-0003] abgedruckt und mit Zitaten von Heinrich Heine versehen, ohne auf seine Verbundung zu SM hinzuweisen.

KOMMENTAR

Geradezu erschreckend ist an diesem Heft, wie weit ausgerechnet Spiegel-Redakteure die Zensurpraxis der BPJS in Schutz nehmen. Rolf Lamprecht etwa verteidigt, daß die BPJS das Recht haben sollte, den Unterschied zwischen Kunst und Pornos zu definieren. Vier Seiten weiter behauptet Christian Buck erstaunlicherweise, daß der Gesetzgeber "hohe Hürden" vor die Indizierung gesetzt habe, was besonders in einem Artikel über Comics blanker Hohn ist. Roland Seims Bücher über die Zensur in Deutschland werden dagegen mit keinem Wort erwähnt.

Überhaupt wirkt dieser Band im Vergleich zu den letzten SPIEGEL Spezial Heften hastig zusammengeschmissen und nicht genüngend ausrecherchiert. Auch wenn SM relativ gut wegkommt ist das schade. Es bleiben für uns unverbundende Fragmente aus vielen einzelnen Artikeln, die mit einer strengeren Redakteurshand miteinander hätte gut abstimmen können. Am lesenswerten bleibt am Ende der vermutlich übersetzte Artikel von Nadine Strossen über den Kampf amerikanischer Feministinnen gegen die Zensurwut von Radikalfeministinnen wie Catharine MacKinnon und Andrea Dworkin.



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Erzeugt am: 15.03.2006

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