Texte

Konstruktive Leserbriefe für Sadomasochisten.

Ein kurze Anleitung für die Pressearbeit, die jeder kann.
Wolf Deunan

INHALT

Einleitung
Warum Leserbriefe?
Sind Leserbriefe überhaupt ihr Porto wert?
Sechs Regeln für einen guten Leserbrief
Beispiele für abgedruckte Leserbriefe
Literatur
Copyright und Disclaimer

EINLEITUNG

Du bist stinkwütend: Einer dieser Tintenkleckser hat in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder auf einer Webpage seine Vorurteilskiste aufgemacht und einen der dümmsten Artikel über den Sadomasochismus ausgekotzt, die die Welt jemals gesehen hat. Soll der billige Schmierfink damit durchkommen? Nein! Flugs ist das Textverarbeitungs- oder Mailprogramm angeworfen und dann, ja, und dann ...

Leserbriefe gehören zu den einfachsten und billigsten Mitteln, Vorurteile gegen den Sadomasochismus zu bekämpfen. Die meisten Sadomasochisten scheuen sich jedoch aus einer Reihe von Gründen, dieses Mittel anzuwenden. Unser Text soll helfen, diese Scheu zu überwinden.

 

WARUM LESERBRIEFE?

Früher hatten Journalisten beim Thema SM gute Entschuldigungen für schlechte Texte. Bis zum Anfang der 80er Jahre gab es als Quellen praktisch nur medizinische Fachtexte und Expertenmeinungen, von denen die meisten eher Spekulation als Wissenschaft waren. Auch als sich Anfang der 80er Jahre in Deutschland die nichtkommerzielle Subkultur bildete, konnte man kaum erwarten, dass ein normaler Journalist innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit Kontakt aufnehmen konnte: Bis in die 90er Jahre hinein waren die meisten Gruppen nicht in der Lage, innerhalb eines Tages Informationen über SM bereit zu stellen. Eine solche Zeitspanne ist gemessen am Zeitdruck bei den Medien viel zu lang: Redakteure bei Nachrichtenagenturen haben zum Beispiel meist bestenfalls wenige Stunden für einen Artikel.

Das Internet hat diese Situation völlig verändert. Es kann von jedem Journalisten im deutschen Sprachraum erwartet werden, dass er Zugang zum Internet hat. Damit ist er aber nur noch die berühmten wenigen Mausklicks von umfangreichen Sachinformationen über den Sadomasochismus entfernt, sei es auf den Seiten der größeren nichtkommerziellen Gruppen wie BDSM Berlin e.V. [1], Schlagwerk Hamburg e.V. [2], SMart Rhein-Ruhr e.V. [3], in Österreich die Seiten von BDSM.AT [4] und die Libertine Wien [5], spezielle Informationssites wie Datenschlag [6] oder die Presseinformationen der amerikanischen SM-Bürgerrechtsgruppe National Coalition for Sexual Freedom (NCSF) [7]. Zudem haben selbst Mainstreamverlage inzwischen Sachbücher über SM im Programm, die in jeder großen Buchhandlung ausliegen [8].

Dass die Pressearbeit im deutschsprachigen Raum trotzdem weiterhin überwiegend miserabel ist, liegt nicht daran, dass Journalisten dumm und faul wären oder bewusst sexuelle Minderheiten diskreditieren wollten. Viele Journalisten sind jedoch schlecht bezahlt, demotiviert, müssen für zwei arbeiten - und last but not least: Journalisten sind Menschen, die Fehler machen können. Das Klischee vom "faulen" oder "bösen" Journalisten hinkt genauso wie das vom Perversen in seinem Kämmerchen.

Neben dem Zeitdruck haben Journalisten meist noch irgendwo das allgemeine Vorurteil im Kopf, dass Sadomasochisten ihrer Neigung ohnehin nur verschämt und heimlich in einer hermetisch abgeschlossenen Subkultur nachgehen. Daher ist die Versuchung groß, sich auch die paar Mausklicks zu sparen. Kaum ein Journalist erwartet schließlich, dass einer dieser Leute tatsächlich aus dem vermeintlichen Untergrund ins Licht herauskriecht und sich beschwert. Daraus folgt aber auch: Journalisten werden so lange weiter verzerrte, verfälschende und schlicht falsche Berichte über SM schreiben, wie wir Sadomasochisten sie damit durchkommen lassen. Kaum ein Blatt würde es heute mehr wagen, die Art von Vorurteilen über Homosexuelle zu verbreiten, die immer noch bei SM die Regel sind. Kein Wunder: Jede Redaktion müsste mit einer Flut von Protesten und Beschwerden rechnen, bis hin zu juristischen Konsequenzen. Solange bei Journalisten noch der Glaube existiert, dass sich SMler nicht gegen falsche Berichte wehren, werden sie keinen Zwang verspüren, die Zeit für eine gründliche Recherche aufzuwenden, egal, wie einfach das geworden ist.

Leserbriefe sind die Rückmeldungen von Sadomasochisten, dass wir uns schlampige Recherche nicht länger gefallen lassen; dass wir von Journalisten die Qualität erwarten, die bei anderen Bevölkerungsgruppen selbstverständlich ist. Leserbriefe sind die Ohrfeigen für altbackene Vorurteile, der Tadel für schlampige Recherchen, aber auch das Lob für saubere journalistische Arbeit. Fernziel sollte es sein, den Zustand zu erreichen, der für jede andere Gruppe normal ist: Dass Journalisten auch beim Thema SM damit rechnen, für Schlamperei zur Ordnung gerufen zu werden.

 

SIND LESERBRIEFE ÜBERHAUPT IHR PORTO WERT?

Das landläufige Vorurteil vieler Sadomasochisten ist allerdings immer noch, dass sich Leserbriefe nicht lohnen. Redaktionen würden sie sowieso nicht lesen, heißt es, sie würden gleich in der großen Rundablage unter dem Schreibtisch landen. Außerdem sei die Chance auf Abdruck absolut minimal. Warum sich die Mühe machen?

Tatsächlich wird jeder Leserbrief gelesen, besser, verschlungen. Wie jeder weiß, der schon einmal etwas veröffentlicht hat, will ein Autor Rückmeldung über sein Werk. Das gilt für Romanautoren wie für Journalisten. Jeder Leserbrief erreicht damit mindestens die Person, die den Artikel geschrieben hat und vermutlich auch einige mehr in der Redaktion, selbst wenn er nicht abgedruckt wird. Man muss sich auch klar sein, dass der Abdruck bei einigen Medien sowieso nicht das Ziel sein kann: So druckt die feministische Zeitschrift "EMMA" offenbar generell keine kritischen Leserbriefe, auf jeden Fall nicht von Sadomasochisten.

Der Siegeszug des Internet hat das Schreiben von Leserbriefen noch einfacher gemacht: Die meisten Redaktionen haben inzwischen E-Mail-Adressen für Leserbriefe. Damit braucht man weder Papier noch Briefmarke, sondern lediglich zehn Minuten Zeit.

 

SECHS REGELN FÜR EINEN GUTEN LESERBRIEF

Die meisten Redaktionen betrachten jeden Brief eines Lesers erstmal als Leserbrief, das heißt, als zur Veröffentlichung frei gegeben. Wenn man ihnen nur so die Meinung sagen will, muss man ausdrücklich dazuschreiben, dass der Brief nicht frei zur Veröffentlichung ist.

Normalerweise wünscht man sich aber einen Abdruck. Um die Chancen darauf zu erhöhen, sollte man sich an die folgenden Regeln halten:

Regel eins: Fasse dich kurz!

Platz in Zeitungen, Zeitschriften und selbst auf Webseiten ist begrenzt. Je kürzer du den Brief halten kannst, desto größer sind die Chancen, dass er angenommen wird. Selbst dann wird er vermutlich noch gekürzt. Formuliere ihn so, dass selbst weitere Kürzungen den Sinn nicht entstellen können. Es muss ja nicht gleich so dumm kommen wie beim Stern, der 1996 aus einem Leserbrief von SMart Rhein-Ruhr e.V. im Satz "Ich persönlich kenne zumindest mehrere hundert Leute, die S/M als eine partnerschaftliche, gleichberechtigte und erfüllende Art des sexuellen Liebesspiels betrachten ..." ausgerechnet das Wort "hundert" kürzte.

Regel zwei: Bleibe sachlich!

Wenn du einen Leserbrief schreibst, vertrittst du den Sadomasochismus nach außen. Wenn du arrogant bist, wenn du vulgär bist, wenn du ausfallend wirst, fällt das auf alle Sadomasochisten zurück - und das wollen wir nicht. Da du weist, dass du im Recht bist, solltest du dich nicht auf eine Schlammschlacht einlassen, sondern immer schön sachlich, höflich und freundlich bleiben.

Überleg dir außerdem, wen du wie angreifen kannst / darfst / musst. Ist die beanstandete Stelle ein Zitat, sollte man sich über den Zitierten und in der Regel nicht über den Autor aufregen. Ist die beanstandete Stelle eine Tatsachenbehauptung, die widerlegt werden kann? Dann widerleg sie. Oder handelt es sich (z.B. in einem Kommentar) um eine Meinung? Dann erläutere, warum du diese Meinung für weltfremd, falsch etc. hältst.

Das sind die wichtigsten Regeln. Alle weiteren sind sind zweitrangig.

Regel drei: Kritisiere den Autor, nicht das Medium!

Medien haben nichts gegen Kontroversen - im Gegenteil, sie leben davon - aber sie selbst wollen nicht angegriffen werden. Chefredakteure sehen die Schuld für faktische Fehler bei ihren Autoren, nicht bei sich. Darüber kann man streiten, aber der Ziel eines Leserbriefes sollte in den meisten Fällen nur der Autor des Artikels sein.

Nicht vergessen: Ein Leserbrief kann auch geschrieben werden, um den Autor eines Artikels für eine gelungene Arbeit zu loben.

Regel vier: Wenn möglich, sei witzig!

Eine Redaktion wird einen Leserbrief um so eher abdrucken, je interessanter er auch für unbeteiligte Leser ist. Sadomasochisten haben damit einen natürlichen Vorteil, weil die meisten Medien nicht erwarten, von uns einen Brief zu bekommen. Je interessanter, witziger und einfallsreicher ein Brief ist, desto größer sind wiederum die Abdruckchancen. Und auch hier gilt: Der Stil fällt auf uns zurück.

Allerdings: Ein Leserbrief muss nicht witzig, nicht interessant und kein literarisches Schmuckstück sein. Wenn du nicht das Gefühl hast, ein literarisches Großtalent zu sein, schreib deinen Brief einfach sachlich und gradlinig, so, wie du sprechen würdest. Sei auf keinen Fall zwanghaft komisch.

Regel fünf: Weise auf die schweigende Menge hin!

Wenn es sich zwangslos einbauen lässt, weise darauf hin, dass du stellvertretend für eine ganze Minderheit sprichst, zu einer Gruppe gehörst; dass es jede Menge Sadomasochisten gibt, die so ähnlich denken wie du. Wenn du zu einem Vorstand einer Gruppe gehörst, schreibe den Brief im Namen der Gruppe. Erstaunlich viele Vanilles halten Sadomasochisten noch für Einzelgänger, nicht für Mitglieder einer komplexen und großen Subkultur.

Regel sechs: Gib der Redaktion weitere Informationen!

Auch wenn dein Brief nicht abgedruckt wird, werden ihn die Redakteure lesen. Diese Redakteure werden vielleicht irgendwann in ihrem Leben einen weiteren Text über SM schreiben - und sie sollen dann die Chance haben, es richtig zu machen. Am Ende des Briefes solltest du daher Hinweise auf weiterführende Informationen einfügen - Bücher zum Thema oder noch besser, Websites von größeren Gruppen oder von Informationssites wie Datenschlag oder der NCSF. Die Hinweise werden nicht gedruckt werden, aber vielleicht nimmt einer der Journalisten die Gelegenheit wahr und bildet sich weiter.

 

BEISPIELE FÜR ABGEDRUCKTE LESERBRIEFE

Die Auflistung ist nicht vollständig und nicht alle hier aufgeführten Beispiele entsprechen den oben aufgeführten Regeln. Wir haben mit Absicht überwiegend Leserbriefe aus anspruchsvolleren Medien wie dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" genommen, um zu zeigen, dass man auch dort abgedruckt wird, selbst wenn man kein Literaturnobelpreisträger ist. Diese Auswahl ist allerdings damit etwas verzerrt, da gerade der "Spiegel" sich in der Vergangenheit durch relativ faire und sauber recherchierte Artikel über den Sadomasochimus hervorgetan hat.

Zu einem Artikel über Sex im 21. Jahrhundert im "Spiegel" (Heft 48/2000) druckte das Nachrichtenmagazin zwei Ausgaben später folgenden Brief von Andreas Wilden von der Münchener BDSM-Gruppe SMigo:

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass der Schriftsteller Michel Houellebecq den gravierenden Unterschied von einvernehmlicher spielerischer Inszenierung eines Machtgefälles zwischen Sadomasochisten und der realen Gewalt verbrecherischer Handlungen ignoriert. Allen Sadomasochisten gemein ist die strikte Ablehnung nicht einvernehmlicher oder gar verbrecherischer Gewalt. Daher empfinden wir es als Beleidigung, in einem Atemzug mit Folterknechten totalitärer Regime und Tierquälern genannt zu werden.

Ebenfalls im "Spiegel" (Heft 45/2000) wurde ein Leserbrief der BDSM-Berlin-Vorsitzenden Kathrin Passig abgedruckt, der sich auf einen Artikel von Marianne Wellershoff zwei Ausgaben vorher bezog:

"In den achtziger Jahren" schreibt die Autorin, "kamen dann Sonderpraktiken wie sadomasochistische Übungen in Mode." Sadomasochismus ist ebenso wie Homosexualität kein Modetrend der siebziger, achtziger oder neunziger Jahre, sondern in dieser Zeit lediglich sichtbarer geworden - und dazu hat nicht zuletzt der SPIEGEL beigetragen.

Passig zufolge [s. SWL 06. Nov 2000] wurde der Brief gekürzt. Die ursprüngliche Fassung lautete demnach:

"In den achtziger Jahren" schreibt Frau Wellershoff, "kamen dann Sonderpraktiken wie sadomasochistische Übungen in Mode." Die von keiner Untersuchung gestützte Annahme, es handle sich beim Sadomasochismus um eine Modeerscheinung, findet sich im "Spiegel" in vielen Berichten zum Thema Sexualität. Ähnlich schlüssig wäre der Glaube an einen Trend zum Brüstetragen bei Frauen, ausgelöst durch die vermehrte Abbildung solcher Brüste in den Medien seit den siebziger Jahren. Sadomasochismus ist ebenso wie Homosexualität kein Modetrend der siebziger, achtziger oder neunziger Jahre, sondern in dieser Zeit lediglich sichtbarer geworden - und dazu hat nicht zuletzt der "Spiegel" beigetragen.

Der Hinweis auf BDSM Berlin e.V. fehlte, während im Münchner Leserbrief SMigo als Absender genannt wurde. Es mag sinnvoll sein, explizit dazuzuschreiben, dass es sich um eine SM-Organisation handelt, wenn das aus dem Namen nicht unmissverständlich hervorgeht.

Als letzte der hier vorgestellten "Spiegel"-Leserbriefe haben wir hier die Meinung des Vorstandes von SMart Rhein-Ruhr e.V. zu dem in Heft 46/1998 vorgestellten Plan der deutschen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), eine umfassende Zensur von Pornographie einzuführen:

Familienministerin Bergmann braucht sich gar nicht zu wundern, wenn sie gerade von Frauen als Tugendwächterin kritisiert wird. Frauen, die differenzieren können, packen grausame Kinderpornos und sadomasochistische Erotik nicht in einen Topf - besonders wenn die beste SM-Erotik (wie die "Geschichte der O") sowieso von Frauen geschrieben wurde. Sadomasochismus ist eine normale Variante der weiblichen Sexualität. Was soll denn passieren, wenn diese angebliche Gewaltpornographie bei Frauen gefunden wird? Der Besitz von solchen Darstellungen ist bei Sadomasochistinnen die Regel. Frauen müssen nicht vor ihrer eigenen Meinungsfreiheit beschützt werden - wir entscheiden selbst, was gut für uns ist.

Der im "Spiegel" Heft 48/1998 abgedruckte Brief wurde dem SMart-Vorstand zufolge [s. SWL 22. Nov 1998] leicht gekürzt, zudem wurde nur Andrea Juchem als Autorin genannt, obwohl andere Vorstandsmitglieder ebenfalls unterzeichnet hatten.

Auch andere Zeitschriften drucken Leserbriefe ab. Anfang April 2000 war nach einer Meldung auf der Nachrichtenliste Schlagworte [SWL 06. April 2000] in der Zeitschrift "TV Today" folgender Brief zu einer Rezension von dem Film "Geschichte der O" zu lesen:

Ihr Fazit zu diesem Film lautet: Wer diesen frauenfeindlichen Mist verzapft hat, verdient wirklich Hiebe. Sind Sie tatsächlich so zurückgeblieben, daß Sie so große Probleme mit sexuellen Fantasien wie Sadomasochismus haben? Oder werden bei Ihnen die Kommentare von verklemmten "Emma" lesenden Emanzen geschrieben, die sich nur deshalb über diesen Film aufregen, weil hier eine Frau die masochistische Rolle spielt und nicht ein Mann? Es kann doch nicht sein, dass es 2000 immer noch Leute gibt, die Sex als schmutzig und SM-Fantasien als abartig werten.

Die Computerspiele-Zeitschrift "PC Games" hatte in Heft 3/1999 bei einer Rezension in einem Wortspiel SM als "Kürzel für eine fragwürdige Sexualpraxis" bezeichnet. In der folgenden Ausgabe wurden diese beiden Leserbriefe abgedruckt ("PC Games", Heft 4/1999) [SWL 03. März 1999]:

In Ihrer Zeitschrift "PC Games", Ausgabe 3/99, schreiben Sie auf Seite 82: "SM ist keinesfalls nur das Kürzel für eine fragwürdige Sexualpraxis [...]". Als Vorstandsmitglied des Vereins SMart Bremen/Oldenburg e.V., einer Plattform und Interessenvertretung für Sadomasochisten, und selbst aktiver Sadomasochist möchte ich Ihnen mein Mißfallen über diese recht ungewöhnliche und tendenziell negative Formulierung mitteilen. Sadomasochismus wird selbst von der medizinischen Fachwelt längst nicht mehr als Krankheit oder Störung eingestuft, sondern gilt als normale Variante der menschlichen Sexualität, die von über 10 Prozent aller Menschen mehr oder weniger ausgeübt wird, wobei mehr als 30 Prozent aller Menschen entsprechende Phantasien pflegen (Quellen: "DSM IV", "Sadomasochismus, Szenen und Rituale"). Diese Menschen sind übrigens auch Ihre Kunden. Meines Erachtens gibt es also keinen Anlaß, Sadomasochismus als "fragwürdig" zu bezeichnen, weder in einem fachlich angemessenen Rahmen noch innerhalb einer flapsigen Formulierung über ein PC-Spiel.

Mit freundlichen Grüßen
Kai M. Becker, SMart Bremen/Oldenburg e.V.

Der zweite Brief stammt von einem "anonymen SMler":

In Ausgabe 3/99 auf Seite 82 zur Einleitung Ihres Testberichts des Civilization II-Nachfolgers Alpha Centauri: "SM ist keinesfalls nur das Kürzel für eine fragwürdige Sexualpraxis..." Warum bezeichnen Sie SM als "fragwürdig"? Ich finde es traurig und befremdlich, etwas, was man nicht einfach versteht, gleich auf solche Weise mit Vorurteilen zu belegen - auf diese Weise kommen die SMler niemals aus der "perversen" Schublade heraus, aus der die Schwulen und Lesben schon weitgehend erfolgreich herausgekrabbelt sind. Deshalb meine Bitte: Bleiben Sie bei guten PC-Spieletests. Ohne unreflektierte Wortspiele...

ein anonymer SMler

Der für die Leserbriefe zuständige Redakteur der "PC Games", Rainer Rosshirt, schrieb dazu:

Ups...ich hätte nie gedacht, daß diese kleine Bemerkung so viel Staub aufwirbeln würde. Diese zwei Briefe werden stellvertretend für alle anderen veröffentlicht. Ich möchte mich hiermit für die unbedachte Äußerung des innerhin doch recht jungen Kollegen entschuldigen: Aus seiner Sicht war diese Bemerkung auch gar nicht falsch! Immerhin ist für einen Mitarbeiter des Verlags JEDE Sexualpraxis fragwürdig. Und ohne Euch zu nahe treten zu wollen, möchte ich betonen, daß wir diesbezüglich keine Wertung vornehmen, geschweige denn Stellung beziehen werden. Mir persönlich ist es gänzlich gleichgültig, wie unsere Leser Ihr Sexualleben gestalten, solange wir nicht in diese Gestaltung mit einbezogen werden. Genau das werden wir aber momentan. 46 Zuschriften nur wegen des Wortes "fragwürdig" finde ich - gelinde gesagt - übertrieben. Vorschnell ist die Jugend mit dem Wort. Seien Sie nachsichtig mit einem jungen Kollegen, der die Formulierung eher zur optischen Ausschmückung eines Satzes verwendete denn als Wertung.

Dies ist eins der seltenen Beispiele, dass eine Zeitschrift die Zahl der Leserbriefe zu einem Thema mitteilt.

Literatur:

Die folgenden Links und Literaturhinweise eignen sich für eine Empfehlung an Redaktionen als weitere Informationsquellen.

[1] BDSM Berlin e.V. (www.bdsm-berlin.de)
[2] Schlagwerk Hamburg e.V. (www.schlagwerk.org)
[3] SMart Rhein-Ruhr e.V. (www.smart-rhein-ruhr.de)
[4] BDSM.AT (www.bdsm.at)
[5] Libertine Wien (www.libertine.at)
[6] Datenschlag (www.datenschlag.org)
[7] National Coalition for Sexual Freedom (NCSF), (www.ncsfreedom.org)
[8] Passig, Kathrin und Strübel, Ira "Die Wahl der Qual.", Rowohlt, Reinbek, 2000

Die ebenfalls bei Rowohlt erschienene, an sich empfehlenswerte Studie "Sadomasochismus - Szenen und Rituale" ist mittlerweile vergriffen und sollte daher nicht weiter als Literaturempfehlung genannt werden.

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