Für die psychologische Analyse des Sadismus kommt es jedenfalls nicht sowohl auf den Umstand an, dass Akte der Grausamkeit gerade von Männern an Frauen (oder auch umgekehrt) verübt werden - sondern das Wesentliche ist und bleibt, dass mit der geschlechtlichen Lustbefriedigung überhaupt das Begehen, oder Erdulden, oder (als Drittes) sogar nur das - sinnliche oder geistige - Anschauen gewaltsamer und grausamer Handlungen als ein schlechterdings dafür notwendiges, unentbehrliches Ingrediens untrennbar verknüpft wird.

„Sadismus“ und „Masochismus“ sind also nur in der Theorie sich ausschliessende Gegensätze; sie sind in Wahrheit einander verwandte und innerlich nahestehende Aberrationen, die, gleich so vielem anscheinend Gegensätzlichem, in der menschlichen Psyche nicht selten vereint, neben- und durcheinander in demselben Individuum verwirklicht angetroffen werden. Ihr gemeinschaftlicher Zug ist eben, dass Schmerz - sei er zugefügt oder erduldet, oder auch selbst nur in der Vorstellung (illusionär oder imaginär) existierend - zur Quelle von Wollustgefühl wird; dass er auf diesem Wege geschlechtliche Erregung und die dem Individualempfinden gemässe Möglichkeit sexualer Befriedigung auslöst. Aus diesem Gesichtspunkte erscheint es gerechtfertigt, „Sadisten“ und „Masochisten“ unter dem beide Kategorien umfassenden Begriff der durch Schmerz in geschlechtliche Erregung Versetzten, der „Algolagnisten“ (άλγος und λαγνεία) zu vereinigen. Der von Schrenck-Notzing ursprünglich empfohlene, von mir übernommene und neuerdings auch von anderer Seite häufiger in Gebrauch gezogene Ausdruck „Algolagnie“ umfasst also die psychosexualen Anomalien in Form des „Sadismus“ so gut wie des „Masochismus“ - mag man auch, mit Schrenck-Notzing, jene als „aktive“, diese als „passive“ Algolagnie unterscheiden. Um den Tatsachen volle Rechnung zu tragen, müsste man streng genommen noch eine dritte, sozusagen zahmere Abart oder Spielart, der ideellen (illusionären) Algolagnie aufstellen, wobei die geschlechtliche Erregung und Lustbefriedigung in psychisch-onanistischer Weise lediglich aus der autosuggestiv produzierten und lebhaft apperzipierten Vorstellung verübter oder erlittener Misshandlung geschöpft wird. Indessen da es sich doch auch dabei immer wieder um - wenn auch noch so blasse - Abbilder ihrem Inhalte nach sadistischer oder masochistischer Vorgänge handelt, so können diese Bewusstseinszustände den psychosexualen Kategorien der „aktiven“ und „passiven Algolagnie“ als Unterformen an entsprechender Stelle eingereiht werden. Für den Einzelfall besteht ja ohnehin keine feste

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