männlichen Teil geprägte Erfahrungswort, wonach jedes belebte Wesen - „omne animal“ - „post coitum triste“ sein soll, bedeutet für das höchststehende geistige Wesen noch weit mehr als für die gesamte übrige Stufenreihe der „animalia“; und was sich ihm als Nachempfindung aufdrängt, ist zuweilen nicht bloss ein gewisses dumpfes Unlustgefühl, sondern geradezu ein zu festeren Vorstellungsformen verdichtetes und konzentriertes Perhorreszieren derjenigen, die ihn dahin gebracht, verlockt, ihn mit sich auf diese nun als erniedrigend empfundene tierische Stufe herabgezogen hat. Freilich je nach Charakter, Temperament, Bildung und Anpassungsfähigkeiten des legitim oder illegitim vereinten „glücklichen“ Paares wird dieser elementare Grundzug in unendlich verschiedenen Schattierungen und Abtönungen zur Geltung gelangen. Von dem leichtesten, flüchtig aufsteigenden Wölkchen der Enttäuschung, Abkühlung, Verstimmung, Ranküne, beginnenden Aversion wird er sich bis zum wildesten, mordlustigen Gefühl des Umbringenkönnens, Umbringenwollens, Umbringenmüssens in den schwersten Fällen pathologisch steigern. Wie es scheint, blicken manche Männer auf das an ihrer Seite schlafende Weib, mit dem sie sich noch eben „εύνή καί φιλότητι“, in Lager und Liebe, vermischt (wie die stereotype homerische Formel lautet) mit einem Gefühle, als könnten sie diese holde, oder auch unholde Schläferin mindestens prügeln, wenn nicht kalten Blutes erdolchen oder erwürgen. Das ist zum Glück meist nur momentanste Anwandlung, flüchtiges Aufwallen oder Aufblitzen, es wird überwunden oder verschwindet spontan - aber es kehrt auch wieder und wird durch die Wiederholung nicht abgeschwächt, sondern eher verstärkt, während umgekehrt die Intensität des vorherigen Genusses mit dessen Wiederkehr immer mehr zusammenschmilzt und sich zuletzt nahezu restlos verflüchtigt. Auch darf man nicht etwa glauben, dass schon allein die verfeinerte Bildung, die höhere Kulturstufe, der beide Teile des „Liebespaares“ angehören, für sich hinreichen, um diese Empfindungen aufzuheben oder doch in ihren Folgewirkungen unschädlich zu gestalten. Im Gegenteil, gerade der auf höhere Stufen des Denkens und Fühlens erhobene, in seinem ganzen Nervenleben künstlich verfeinerte, ästhetisierte Kulturmensch empfindet den Ekel, den Widerwillen, die Selbstverachtung wegen einer (so erscheint es in solchen Augenblicken) Cochonnerie, zu deren Verübung er durch einen unwiderstehlichen Trieb gezwungen wird, besonders schneidend und heftig; und er ist oder wird dann geneigt, diesem Empfinden nicht bloss gegen das einzelne ihm vom Schicksal aufgedrungene Weib, sondern gegen das ganze


1) Das Weib kann, wie ein englischer Arzt (nach Havelock Ellis) etwas zynisch, aber nicht unzutreffend bemerkt haben soll, „nach dem Koitus singen“.

« 16 »

Inhaltsverzeichnis - bisam@daten-schlag.org