sexuellen Gefühlen, bis zur Entstehung von Orgasmus. Nebensächlich ist nach allem Vorausgehenden die spezielle Art und Weise, wie dieses Abhängigkeits- oder Beherrschungsverhältnis betätigt wird (s. oben), ob durch blosse symbolische Akte, oder ob zugleich der Drang besteht, von einer Person des anderen Geschlechts Schmerzen zu erdulden.

Während der Sadismus als eine pathologische Steigerung des männlichen Geschlechtscharakters in seinem psychischen Beiwerk angesehen werden kann, stellt der Masochismus eher eine krankhafte Ausartung spezifisch weiblicher psychischer Eigentümlichkeit dar.

Es gibt aber unzweifelhaft auch einen häufigen Masochismus des Mannes, und dieser ist es, welcher meistens in die äussere Erscheinung tritt und die Kasuistik fast ausschliesslich füllt. Die Gründe hierfür sind oben p. 151 erwähnt.

Für den Masochismus lassen sich in der Welt der normalen Vorgänge zwei Wurzeln nachweisen.

Erstens ist im Zustande der wollüstigen Erregung jede Einwirkung, welche von der Person, von der der sexuelle Reiz ausgeht, auf den Erregten ausgeübt wird, willkommen, unabhängig von der Art dieser Einwirkung. Es liegt noch ganz im Bereiche des Physiologischen, dass sanfte Püffe und leichte Schläge als Liebkosungen aufgefasst werden 1).

"like the lovers pinch which hurts and is desired"
                         (Shakespeare, Antonius und Kleopatra V, 2).

Es liegt von hier aus nicht allzu ferne, dass der Wunsch, eine recht starke Einwirkung von Seite des Konsors zu erfahren, in Fällen pathologischer Steigerung der Liebesinbrunst zu einem Gelüste nach Schlägen u. dgl. führt, da der Schmerz das immer bereite Mittel einer starken körperlichen Einwirkung ist. So wie im Sadismus der sexuelle Effekt zu einer Exaltation führt, in welcher die überschäumende psychomotorische Erregung in Nebenbahnen überströmt, so entsteht hier im Masochismus eine Ekstase, in der die steigende Flut einer einzigen Empfindung jeden von der geliebten Person kommenden Einfluss begierig verschlingt und mit Wollust überschwemmt.

Die zweite und wohl die mächtigere Wurzel des Masochismus ist in einer weit verbreiteten Erscheinung zu suchen, welche zwar schon in das Gebiet des ungewöhnlichen, abnormen, aber durchaus noch nicht in das des perversen Seelenlebens fällt.

Ich meine hier die allverbreitete Tatsache, dass in unzähligen in den verschiedensten Variationen auftretenden Fällen ein Individuum in eine ganz ungewöhnliche, höchst auffällige Abhängigkeit von einem anderen Individuum des entgegengesetzten Geschlechts gerät, bis zum Verlust jedes selbständigen Willens, eine Abhängigkeit, welche den beherrschten Teil zu Handlungen und Duldungen zwingt, die schwere Opfer am eigenen Interesse bedeuten und oft genug gegen Sitte und Gesetz verstossen.

Diese Abhängigkeit ist aber von den Erscheinungen des normalen Lebens nur durch die Intensität des Geschlechtstriebes, der hier im Spiele ist, und das geringe Mass der Willenskraft, die ihm das Gleichgewicht halten soll, verschieden, nicht qualitativ, wie es die Erscheinungen des Masochismus sind.

Ich habe diese Tatsache der abnormen, aber noch nicht perversen Abhängigkeit eines Menschen von einem andern des entgegengesetzten Geschlechts,


1) Hierzu findet sich ein Analogon in der niederen Tierwelt. Die Lungenschnecken (Pulmonata Cuv.) besitzen in ihrem sogenannten "Liebespfeil" - ein spitzes Kalkstäbchen, das in einer besonderen Tasche des Leibes liegt, aber bei der Begattung hervorgestülpt wird - ein sexuelles Reizorgan, das eigentlich seiner Beschaffenheit nach ein Schmerzerreger ist.

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