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Der Papiertiger: Pornographie

 
   
   
   
   
   
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Der Papiertiger ist eine Enzyklopädie des Sadomasochismus, zusammengestellt von Datenschlag. Hier erklären wir Begriffe aus dem SM-Bereich und stellen sie in den Zusammenhang der sadomasochistischen Subkultur und ihrer Traditionen.


Hier allgemein zu sadomasochistischer Pornographie. Die Diskussion über Pornographie und Vergewaltigung findet sich dort; Einzelthemen und verwandte Einträge sind Snuff, Zensur und Selbstzensur, wie auch Kunst. Dieser Eintrag basiert zum grössten Teil auf1.

Die Definition von "sadomasochistischer" Pornographie ist noch umstrittener als die der "normalen" Pornographie. Eine klare Abgrenzung scheint weder nach den eigenen Vorstellungen von Sadomasochisten selbst noch nach dem heutigen med. Begriff des Sadomasochismus zum Mainstream oder zu Gebieten wie Fetischismus sauber möglich. Unklar ist unter Anderem,ob und wie Filme wie Mano Destra, die einen Kultstatus unter Sadomasochisten einnehmen, unter den Begriff pornographisch passen sollen, da sie - ebenso wie viele andere, von SMlern als sexuell erregend empfundene Darstellungen - zwar Fesselung, aber keinerlei Nacktheit und erst recht keinen Geschlechtsverkehr zeigen. Weder in gängigen med. Definitionen noch in den Versuchsaufbauten finden sich Ansätze, die auf Macht bzw. Machtdemonstration beruhen. Stattdessen werden Gewalt oder Schmerzen als Kriterien benutzt, wenn auch das Konzept der Konsensualität hier schneller zum Diskussionspunkt geworden ist als in anderen Zusammenhängen. Eine Untersuchung, bei der Sadomasochisten eine Auswahl von Bildern vorgelegt wurden und sie gebeten wurden, sie nach ihrem Gefühl (etwa entsprechend dem in2 aufgebrachten P-Wert) einzustufen, hat es bisher nicht gegeben.

Einer der Gründe für diesen Mangel liegt darin, dass med. Untersuchungen meistens auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Pornographie und Vergewaltigung angelegt sind (Forschungsgelder sind für andere Zielsetzungen vermutlich kaum zu bekommen). Arbeitsdefinitionen beruhen daher auf Überlegungen zu diesem Problemkreis, die nur unzureichend auf Sadomasochisten übertragbar sind. Zwar haben neuere Unterschungen versucht, auch konsensuelle, sadomasochistische Spiele einzubeziehen, aus der Beobachtung heraus, daß:

responsiveness to sadomasochistic themes is not unusual in the general population

(in3, basierend auf4).

Aber diese Materialien sind in solchen Fällen sehr eingeschränkt und wecken den Eindruck, dass die Untersucher nicht im geringsten mit den Inhalten und Formen der sadomasochistischen Literatur vertraut sind. So wurden Männern als Beispiel für "Consenting bondage and spanking with a female partner" in der Studie3 folgende Geschichte vorgelesen (wobei ihre PCR (s. Eintr.: Penile Circumference Response)-Werte aufgenommen wurden):

My girlfriend and I are alone in her room necking. She has soft hair and a very appealing figure. She asks me if I will play a little game with her. I say "O.K.". She hands me some rope and says "Tie me up and spank me. Be mean and hurt me. I really like that. It turns me on!" I order her to strip. She looks excited and horny as she quickly removes her clothes. I tie her hands behind her back and force her into a kneeling position with her ass high in the air and her face near the floor. I grab a large flat hair brush and begin to spank her really hard. She begins to cry and says, "Please, please hit me some more." Her body begins to tremble with excitement as I continue to spank her. Her hips are writhing and and wriggling with each smack of the brush. She sobs and moans in ecstasy as she begs me to hit her again and again.

Bemerkenswert ist hier wieder die hervorgehobene Darstellung von Schmerz, unterstrichen durch das sofortige (!) Weinen des Opfers wie auch die klassische Rollenverteilung mit dem Mann als Top und der Frau als Bottom. Damit bleibt ein grosser Prozentsatz konsensueller Sadomasochisten, die entweder andere Rollenverteilungen bevorzugen oder Schmerzspielen wenig abgewinnen außen vor. Es muss befürchtet werden, dass eine solche Darstellung eher zur Untersuchung männlicher sexueller Aggressionsbereitschaft als zur Aufklärung der Breite erotischer Auslöser von Sadomasochisten taugt.

Gesichert ist allerdings, dass der Anteil von sadomasochistischer Pornographie an der Gesamtpornographie in den letzten Jahrzehnten im Westen zumindest stark zugenommen hat. Als die U.S. Commission on Obscenity and Pornography Ende der 60er den Zusammenhang der Pornographie zur Vergewaltigung untersuchte, gab es kaum "gewalttätige" Pornographie1 als Material; inzwischen stellt die leichte Zugänglichkeit einen der wenigen Punkte dar, auf denen sich Befürworter und Gegner einigen können (s.u.). Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Gesamtmenge an Pornographie zugenommen hat. Nach Untersuchungen von Kutchinsky5 erscheint die Gesamtproduktion von pornographischen Zeitschriften in mehreren Ländern bemerkenswert konstant im Verhältnis zur Gesammtbevölkerung zu sein, nämlich etwa ein Heft pro Jahr pro Person.

Beide Zahlen, die Gesamtmenge von Pornographie auf der einen, der Anteil von sadomasochistischen Themen (im weitesten Sinn) auf der anderen Seite, sind von radikal christlichen, konservativen und besonders radikalfeministischen Gruppen in der Öffentlichkeit stark verzerrt worden. Kennzeichnend für insbesondere Feministinnen (s. Eintr.: Feminismus)-Gruppen ist die Neigung, keine Quellen für ihre Behauptungen vorbringen zu können, der Industrie gigantische Ausmaße zuzusprechen sowie alle Pornographie als sich mit Gewalttätigkeit und Aggression als Hauptthemen befassend darzustellen.

So behauptet Andrea Dworkin in6 - ohne jede Quellenangabe - dass die Pornoindustrie größer sei als die Platten- und Filmindustrie zusammengenommen und beschreibt ihre Produkte im allgemeinen (also nicht nur in Bezug auf Sadomasochismus):

Real women are tied up, stretched, hanged, fucked, gang-banged, whipped, beaten, and begging for more

In7 behaupten Russell und Lederer:

Pornography usually combines some sort of violence and sex

Barrys8 Überblick über die Gesamtpornographie lautet:

The most prevalent theme in pornography is one of utter contempt for women. In movie after movie women are raped, ejaculated on, urinated on, anally penetrated, beaten, and with the advent of snuff films, murdered in an orgy of pleasure

(Zu Snuff-Filmen siehe dort). Für Susan Griffin (zitiert in1 ohne Quellenangabe) sind die "unausweichlichen" Augenblicke in der Pornographie die

in which most usually a woman, sometimes a man, often a child, is abducted by force, verbally abused, beaten, bound hand and foot and gagged, often tortured, often hung, his or her body suspended, wounded, and then murdered

Die Wirklichkeit sieht allerdings etwas anders aus. Tatsächlich liegt der Anteil von "gewalttätiger" Pornographie in den meisten ernsthaften Studien unter 10% an der Gesamtmenge, oft erheblich weniger. In 1983 wurde in9 für Dänemark ein Anteil von unter 2% festgestellt. In einem historischen Überblick10 von 1984 fand Slade, dass die hard-core Filmindustrie im Gegensatz zur restlichen Filmindustrie Gewalt fast völlig ablehnte. Seine Ergebnisse wurden in eine der größten und sorgfältigsten Inhaltsanalysen von Palys in11 bestätigt und erweitert. Von 150 Filmen wurden 6,4% von Versuchspersonen als "sexuell aggressiv" eingestuft. Winick fand in 1985 bei einer Untersuchung von allen 430 verfügbaren Sexzeitschrifen in der Times Square Area in New York gerade einen Anteil der "sadomasochistischen" Themen von 1.2%, in der getrennten Kategorie "Bondage and Discipline" kam man schon auf 4.9%. Bemerkt werden muss dazu, dass nur in 60% der Fälle (3% der Zeitschriften) die Frau die Beherrschte war12. Soble fand 1986, dass von 300 Zeitschriften 7% sadomasochistische Abbildungen mit der Frau - und 9% mit dem Mann13 als Bottom zeigten. Die Häufigkeit von Abbildungen im Playboy mit sadomasochistischen Themen wird dort besprochen, hier sei nur erwähnt, dass etwa alle 3000 Seiten eine vorkommt, die dieser Klassifizierung entsprechen könnte.

So gering der Anteil sadomasochistischer Pornographie auch ist, lässt sich doch festhalten, dass sie - wie auch Pornographie zu Themen wie Analsex oder lesbischer Sexualität - verfügbarer geworden ist. Dies spiegelt offenkundig das Interesse der sich überwiegend als heterosexuelle Vanilla (s. Eintr.: Vanille)s definierenden Käufer wieder und kann als Zeichen gewertet werden, daß latentes Interesse an sexuellen Verhaltensweisen, die früher als deviant galten weit verbreitet sind.

Literaturhinweise:

1 Kutchinsky, Berl:
    Pornography and Rape: Theory and Practice?  [Details]
2 Marcus, Maria:
    Die furchtbare Wahrheit. Frauen und Masochismus  [Details]
3 Quinsey, Vernon L. / Chaplin, Terry C. / Upfold, Douglas:
    Sexual Arousal to Nonsexual Violence and Sadomasochistic Themes Among Rapists and Non-Sex-Offenders  [Details]
4 Dietz, Park Elliott / Evans, B.:
    Pornographic Imagery and Prevalence of Paraphilia  [Details]
5 Kutchinsky, Berl:
    Pornography and its effects in Denmark and the United States: A rejoiner and beyond.  [Details]
6 Dworkin, Andrea:
    Pornographie. Männer beherrschen Frauen.  [Details]
7 Russell / Lederer:
    Take back the night  [Details]
8 Barry, Kathleen:
    Female Sexual Slavery  [Details]
9 Kutchinsky, Berl:
    Encyclopedia of Crime and Justice  [Details]
10 Slade, J.W.:
    Violence in the hard-core pornographic film: A historical survey  [Details]
11 Palys, T.S.:
    A Content Analysis of Sexually Explicit Videos in British Columbia  [Details]
12 Winick, C.:
    A content analysis of sexually explicit magazines sold in an adult bookstore  [Details]
13 Soble, A.:
    Pornography, Marxism, Feminism and the Future of Sexuality  [Details]

 

Auf diesen Eintrag verweisen: Erotica, Kanada, Literatur, Madonna, Penile Circumference Response, Ponyspiele, Pornographie und Vergewaltigung, sadomasochistische Pornographie, Selbstzensur, Zensur, Zoophilie

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Stand: 13.12.2003.

 

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