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Der Papiertiger: Zensur

 
   
   
   
   
   
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Der Papiertiger ist eine Enzyklopädie des Sadomasochismus, zusammengestellt von Datenschlag. Hier erklären wir Begriffe aus dem SM-Bereich und stellen sie in den Zusammenhang der sadomasochistischen Subkultur und ihrer Traditionen.


Aufbau:

Zensur bezeichnet den Versuch des Staates, missliebige Meinungsäußerungen von vornherein zu unterbinden. Über die Gedankengänge hinter der Zensur heißt es in1:

Zensur geht dabei von der durch nichts gerechtfertigten These aus, daß sich durch Vertriebseinschränkungen oder das Verbot das Bedürfnis nach Rezeption dieser Dinge aus der Welt schaffen ließe. Tatsächlich wird aber lediglich eine Steigerung der Attraktivität erreicht, da hinter dem Verbotenen eine besondere Qualität von Nervenkitzel zu vermuten sei.

In Demokratien ist Zensur üblicherweise verboten, da sie dem demokratischen Gedanken zuwiderläuft. Zwei der wichtigsten Faktoren für Sadomasochisten sind die Rechtslage in dem Staat, in dem sie leben und die Zensur in Form von Einschränkungen von Kontaktmöglichkeiten zu Gleichgesinnten wie der Möglichkeiten, an Materialien im weitesten Sinn zu gelangen.

Deutschland

In Deutschland gibt es keine offizielle Zensur:

Art 5 GG - Meinungs- und Pressefreiheit; Freiheit der Kunst und der Wissenschaft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugängIichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Art. 5 des Grundgesetzes sagt: "Eine Zensur findet nicht statt". Dennoch greift der Staat in vielerlei Hinsicht in die Meinungsfreiheit ein: Er verbietet z.B. die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts. Obwohl dieses Verbot gemeinhin als "Zensur" angesehen werden könnte, ist es dennoch keine Zensur im Sinne der deutschen Verfassung. Der Verfassungsgeber hat seine Definition des Zensurbegriffs in Artikel 5 schlüssig dargelegt: Er versteht unter Zensur nur die Vorzensur. Diese setzt die Einrichtung einer Behörde, der alle geplanten Veröffentlichungen zur Genehmigung vorgelegt werden müssen, voraus.

Eine "Nachzensur" durch Einziehung und Verbot entsprechender bereits existierender Publikationen ist erlaubt und von der Verfassung gedeckt. Der verfassungsrechtliche Zensurbegriff umfaßt diese Nachzensur nicht. Artikel 5 sagt nämlich auch: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre". Da aber auch ein Verkaufs- und Reklameverbot die Verbreitung von Ideen effektiv behindern kann, wird Zensur hier definiert als jede Maßnahme, die einem mündigen Erwachsenen Besitz oder Zugang zu Informationsmaterialien jeder Art verbietet oder soweit erschwert, daß sie einer Zensur gleichkommt. Diese Art von Einschränkungen können genauso effektiv die Verbreitung gewisser Werke verhindern, da Verlagen durch die Einziehung oder Verkaufseinschränkungen erhebliche Einnahmeausfälle entstehen, die für eine "Selbstzensur" zukünftiger Veröffentlichungen sorgen.

In Deutschland existieren Produktions- und Vertriebseinschränkungen auf Bundesebene für verschiedene Arten von Pornographie sowie für jugendgefährdende Schriften. Die mildeste Form ist die Indizierung: davon betroffene Werke dürfen Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht, nicht beworben und nicht per Versandhandel verkauft werden.

Hiervon sind auch sadomasochistische Erotika und Pornographie betroffen, die unter den Begriff der Gewaltpornographie fallen können. Die Rechtsprechung ist allerdings uneinheitlich: So ist die Geschichte der O in der ursprünglichen Ausgabe indiziert (Stand 2000), eine Art "Studienausgabe" mit Vorwort ist allerdings frei verkäuflich. Das Gleiche gilt für die Venus im Pelz.

Diese Art von Zensur hat zumindest im Comic-Bereich schon Auswirkungen auf die Themenvielfalt gehabt. Teilweise werden indizierte Comics auch in "entschärften" Versionen auf den Markt gebracht - diese sind allerdings häufig ziemlich entstellt.

Morbus Gravis2 - Druuna. Original und "entschärfte" Version

Hauptorgane zensurähnlicher Eingriffe in der Bundesrepublik sind die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (früher BPjS) und die von Bund und Ländern gemeinsam getragene Einrichtung Jugendschutz.net. Auch Datenschlag wurde von Jugendschutz.net in einem Schreiben aufgefordert, die Howtos entweder zu entfernen oder durch eine - kostenpflichtige - geschlossene Benutzergruppe nur Erwachsenen zugänglich zu machen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurden (nicht weiter ausgeführte) rechtliche Konsequenzen angedroht. Datenschlag sah sich daraufhin gezwungen, einen Text über Stromspiele zurückzuziehen und das Atemkontrolle-Howto zu modifizieren.

Literaturhinweise:

1 Seim, Roland / Spiegel, Josef (Hrsg.):
    Ab 18 - Zensiert, Diskutiert, Unterschlagen  [Details]

 

Siehe auch: § 184, § 131, BPjS, FSK, Literatur, indizierte

Auf diesen Eintrag verweisen: 120 Tage von Sodom, Ärzte, Anime, BPjS, Comics, Crepax, Guido, Dolcett, Domina, Email Project, The, EMMA, Faschismus, FSK, Geschichte der O, Haare, Heavy Metal, Internet, Kanada, Literatur, Musik, Musikvideos, Nine Inch Nails, Noncon-Phantasien, Nutrix, Pornographie, Rechtslage, Schwermetall, Serpieri, Paolo Eleuteri, Sicherheit, Subkultur

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Stand: 10.09.2004.

 

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