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Der Papiertiger: Noncon-Phantasien

 
   
   
   
   
   
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Der Papiertiger ist eine Enzyklopädie des Sadomasochismus, zusammengestellt von Datenschlag. Hier erklären wir Begriffe aus dem SM-Bereich und stellen sie in den Zusammenhang der sadomasochistischen Subkultur und ihrer Traditionen.



Von engl. nonconsensual, also nichteinvernehmlich. Phantasien, die sich um Situationen wie Folterungen und Vergewaltigungen drehen, in denen der für viele Sadomasochisten wichtige Aspekt der Achtung und Liebe des aktiven Partners keine Rolle spielt und in der Grenzen bewusst ignoriert werden.

Die Benutzung von Noncon-Phantasien zum Lustgewinn ist einer der für Nichtsadomasochisten am schwierigsten zu verstehenden Aspekte des SM. Oft wird angenommen, dass Sadomasochisten durch jede Darstellung von Gewalt erregt werden, auch ohne sexuellen Kontext; Sadomasochisten, die sich ín Gruppen wie amnesty international engagieren, wird Heuchelei nachgesagt. Tatsächlich scheint auf dem ersten Blick die von Sadomasochisten selbst so hochgehaltene Vorstellung der Konsensualität von ihrer Fähigkeit in Frage gestellt zu werden, von eindeutig nicht einvernehmlichen Gewaltsituationen in Filmen oder ihren eigenen Köpfen erregt zu werden.

Bei einigen Sadomasochisten wird das durch die Fähigkeit, bewusst oder unbewusst Noncon-Elemente zu transformieren, sie also in "was-wäre-wenn" zu verwandeln oder gänzlich zu ignorieren, in Einklang gebracht. Bei ihnen ist es die Machtdemonstration, die bei schweren Verstümmelungen auf den Top erregend wirken, nicht das Blut oder Schreien oder Schmerzen des Opfers. Auf der anderen Seite ist die große Anzahl von Frauen gut dokumentiert, die teilweise grausame Vergewaltigungsphantasien mit sich selbst als Opfer haben. Es ist die extreme Machtlosigkeit dieser Situation, die sie in der Phantasie erregt, nicht das Eindringen des Vergewaltigers oder sein schlechter Atem. Bei anderen Sadomasochisten äußern sich sadistische Züge in ihren Phantasien: Aspekte wie Zerstörung, hervorgerufene Schmerzen und Angst des Opfers wirken in der Vorstellung durchaus erregend.

Konsensuelle Sadomasochisten streben die Realisierung ihrer nichteinvernehmlichen Phantasien jedoch nicht an: Don't dream it, be it gilt nicht für die Kopfwelt des Sadomasochismus. Der Top kann vielleicht eigentlich gar kein Blut sehen und nichts liegt dem Bottom ferner, als eine Vergewaltigung durchstehen zu wollen.

Bei der Bewertung solcher Phantasien hat sich in der sadomasochistischen Subkultur als Prinzip herausgebildet: Eine Phantasie ist eine Phantasie ist eine Phantasie. Sie findet nur im Kopf statt und wird nicht von selbst ausbrechen. Nicht die Konsensualität in der Phantasie ist wichtig, sondern der Respekt und die Verantwortung vor und gegenüber dem Partner in der Praxis. Letzten Endes ist dies der einzige Maßstab, der zählt.

Die Tatsache, daß man sich über moralische Aspekte seiner Phantasien Gedanken macht, ist grundsätzlich immer positiv. Die angeborenen und anerzogenen Hemmungen gegenüber Aggressivität, Schmerzzufügung und Machtmissbrauch erfüllen im Umgang mit anderen Menschen eine wichtige Aufgabe und sind die Grundlage für das menschliche Zusammenleben überhaupt; sie sind ein Teil von dem, was gesunde Menschen von Soziopathen unterscheidet. Das gleiche Gewissen, das die täglichen Handlungen überwacht, schaut einem auch in der Phantasie über die Schulter; es wäre utopisch zu erwarten, dass es nie zu Spannungen zwischen ihm und einer reichen Phantasiewelt kommt.

In einigen Fällen stammen diese Gefühle aus der Schwierigkeit, die eigenen Neigungen voll akzeptieren zu können. Eigentlich dürfte ich das nicht erregend finden ist ein Gedankengang, der jedem Sadomasochisten irgendwann durch den Kopf gegangen sein wird.

Das Wertesystem, das man von seinen Eltern und seiner Kultur anerzogen bekommen hat, enthält Regeln, darüber, was in der Sexualität richtig ist. Zwar erfüllen auch diese Regeln wichtige Aufgaben, aber es sind Regeln, die von Vanilles für Vanilles erschaffen wurden. Als Sadomasochist muss man akzeptieren lernen, daß die eigene Neigung mit vielen dieser Regeln nicht vereinbar ist und daher auch die eigene Phantasie Wege gehen wird, die auf der mitgegebenen Landkarte gar nicht eingezeichnet sind. Eine der wichtigsten Erlebnisse ist hier der Kontakt zu anderen Sadomasochisten, zur "eigenen" Kultur, sozusagen um zu sehen, dass es auch andere mit einer besonderen Karte gibt (mehr dazu unter Subkultur und Organisationen).

Was schon innerhalb der Subkultur häufig erregte Debatten auslöst, ist für Vanilles noch schwieriger nachvollziehbar: die Reaktion kann von Unverständnis bis Ekel reichen. Es kann Angst aufkommen, dass man irgendwann versuchen wird, dem allgemeinen Aufruf zur Verwirklichung möglichst vieler Phantasien zu folgen.

In einigen Ländern hat sich die Vorstellung eingebürgert, dass viele Menschen unfähig sind, Phantasie und Wirklichkeit zu trennen. Dies führt zur Einrichtung von Zensur-Behörden, die die Verbreitung von Materialien dieser Art unterbinden sollen. In Deutschland ist dies die BPjS.

Unter Sadomasochisten selbst kommt es häufig zum Streit darüber, inwieweit Noncon-Phantasien veröffentlicht werden sollen oder dürfen, sprich, inwieweit unter Sadomasochisten eine Art Zensur in den eigenen Reihen nötig ist.´

 

Synonyme: Rape Phantasies, Vergewaltigungsphantasien

Siehe auch: Selbstzensur, Vorurteile

Auf diesen Eintrag verweisen: 120 Tage von Sodom, Neulinge, Vergewaltigung

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