Papiertiger

Der Papiertiger: Vergewaltigung

 
   
   
   
   
   
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Der Papiertiger ist eine Enzyklopädie des Sadomasochismus, zusammengestellt von Datenschlag. Hier erklären wir Begriffe aus dem SM-Bereich und stellen sie in den Zusammenhang der sadomasochistischen Subkultur und ihrer Traditionen.



Erzwungener Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung des Opfers, hier im weiteren Sinn jede sexuelle Handlung ohne Einwilligung. Zur Diskussion über sadomasochistische Pornographie und Vergewaltigung siehe dort, vgl. auch Gewalt. Zu Rollenspielen zum Thema Vergewaltigung siehe dort, siehe dazu auch Noncon-Phantasien. Über Vergewaltigungen in einem sadomasochistischen Umfeld, also unter Sadomasochisten, gibt es kein Material.

In Deutschland werden pro Jahr etwa 7000 Vergewaltigungen pro Jahr angezeigt, die Dunkelziffer schwankt je nach Autor stark. Der Tatort ist in 30% der Fälle die Wohnung des Opfers, in 20% ein Auto, 25% finden im Freien statt.
In einem Drittel der Fälle handelt es sich um eine überfallartige Vergewaltigung, ohne daß sich Opfer und Täter vorher gekannt haetten, in der Hälfte der Fälle waren Opfer und Täter zumindest gute Bekannte1. Nach2 zeigten 20% der späteren Opfer ein zuerst entgegenkommendes Verhalten.

Über die Ursachen gibt es diverse Theorien. Interessanterweise wird von keinem medizinischen Autor eine Verbindung zwischen Sadomasochismus und Vergewaltigung postuliert. Einer der wichtigsten und vor allem vermeidbaren Auslöser für Vergewaltigungen ist im allgemeinen der Alkohol. Wie Gödtel unterstreicht (1):

Obwohl jeder weiß, daß Alkohol einen größeren Einfluss auf Sexualstraftaten hat als die Pornographie, fordert niemand ernsthaft in diesem Zusammenhang ein Alkoholverbot.

Die unter Sadomasochisten üblichen Regeln im Bezug auf Alkohol, die hier unter Drogen, Parties und Sicherheit genauer besprochen werden, erhalten dadurch eine zusätzliche Schutzfunktion.

In der sadomasochistischen Subkultur, besonders auf Parties, muss absolute Klarheit darüber herrschen, dass sexuelle Belästigung oder gar Vergewaltigung (vor allem aber nicht nur) von Bottoms unter keinen Umständen toleriert wird - egal, wie sehr der Bottom sich als ein rechtsloses, zum Mißbrauch freigegebenes Objekt präsentiert - nackt, gefesselt, mit Halsband.
Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung beginnt im BDSM-Bereich dort, wo abgesprochene Grenzen überschritten oder Safewords ignoriert werden. Auch Menschen mit ausgeprägten Vergewaltigungs-Phantasien haben ein Recht darauf, vor tatsächlichen Vergewaltigungen geschützt zu werden. Wenn Bottoms die Entscheidungsgewalt an einen Top abtreten, dann ist dessen Wort auch für dritte verbindlich. Als Betroffener sollte man sich vor selbst oder von anderen eingeredeten Schuldgefühlen, man habe es ja nicht anders gewollt, hüten.

Da die Fähigkeit zum Vertrauen die Grundlage des Sadomasochismus darstellt, kann jeder Missbrauch dieses Vertrauens von Seiten des Tops oder Bottoms einen viel größeren Schaden anrichten als ein Außenstehender nachvollziehen kann. Nicht nur die Rolle als Bottom kann dadurch fast unmöglich werden, sondern eine angestaute Wut die für die Rolle als Top nötige Selbstbeherrschung gefährden.

Das Aufheben des Kraftgefälles zwischen Mann und Frau bei sadomasochistischen Spielen durch z.B. Fesselungen ebnet theoretisch den Boden für Mißbrauch durch Frauen. Unklar ist, ob es tatsächlich häufiger zu Mißbrauch durch Frauen in der sadomasochistischen Subkultur kommt.

Die Frage der Gegenwehr ist für eine Vergewaltigung innerhalb eines sadomasochistischen Spiels unter Umständen völlig witzlos, da das Opfer gefesselt und geknebelt sein kann. Beim Sadomasochismus entfällt oft die Möglichkeit zum Selbstschutz, weshalb entsprechende Regelungen vorher und im Umfeld nötig sind.

Männliche Opfer von Vergewaltigungen sind selbst in der Medizin erst seit wenigen Jahren ein Thema; daß sie überhaupt beachtet werden, liegt nicht zuletzt an den Bemühungen von Schwulen-Organisationen. Die Anzahl der vergewaltigten Männer ist um Größenordnungen kleiner als die von vergewaltigten Frauen; Täter sind auch hier praktisch ausschließlich Männer. Der psychologische Schaden hat einen anderen Charakter: Jede Frau wird irgendwann in ihrem Leben mit der Vorstellung konfrontiert, daß sie ein Opfer sein könnte und den meisten wird schon im Kindesalter vorbeugendes Verhalten anerzogen. Kaum ein Mann erwartet, jemals in seinem Leben vergewaltigt zu werden, die in drei Viertel der Fälle vorliegende Analvergewaltigung ist für viele Männer auch bei konsensuellem Sex undenkbar. Während allgemein akzeptiert wird, daß ein weibliches Opfer körperlich einem männlichen Täter unterlegen ist, entstehen bei einem männlichen Opfer zusätzlich Probleme wegen des Rollenbildes als Mann. Es existieren auch außerhalb der schwulen Subkultur keine Anlaufstellen für vergewaltigte Männer, daher darf es nicht wundern, daß trotz körperlicher Verletzungen in drei Vierteln der Fälle nur ein Drittel der Männer ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.

Vergewaltigte Sadomasochisten stehen vor zusätzlichen Problemen. Während andere vergewaltigte Frauen Zuspruch, Sympathie und Hilfe von den Beratungstellen erwarten können, kann es sein, daß eine Sadomasochistin selbst von anderen Frauen und insbesondere von Feministinnen (s. Eintr.: Feminismus) mit Sprüchen wie "selbst schuld", "darauf stehst du doch" oder "das mußte ja passieren" begrüßt wird. Sie riskiert, daß ihr Umfeld es darauf anlegt, sie zu heilen, statt sich mit dem eigentlichen Täter auseinanderzusetzen. Die Schuldumkehr bei Verwaltigungen, die Radikalfeministinnen "männlichen" Gerichten oft vorwerfen, kommt hier von den Frauen selbst.

Hat die Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung noch dazu in einem SM-Kontext stattgefunden, wird es noch schwieriger, den eigenen Bekannten, der Polizei und vor Gericht verständlich zu machen, daß die Einwilligung in ein SM-Spiel noch lange kein Freibrief zur nicht abgesprochenen Gewaltausübung ist.

Ähnlich wie Schwule und Lesben ihre eigenen Hilfsgruppen für solche Fälle ins Leben gerufen haben, muß die sadomasochistische Subkultur wohl oder übel eigene Strukturen für diese Probleme entwickeln. Die Beratungstelefone, die von vielen Gruppen geführt werden, stellen einen ersten Schritt in diese Richtung dar. In den USA hat die NLA (s. Eintr.: National Leather Association) ein Projekt zu Gewalt in SM-Beziehungen, das Domestic Violence Education Project, siehe dazu Gewalt.

Literaturhinweise:

1 Gödtel, Reiner:
    Sexualität und Gewalt  [Details]
2 Amir, M.:
    Victim Precipitated Forcible Rape  [Details]

 

Auf diesen Eintrag verweisen: Deutsch-Türken, Domestic violence, Drogen, EMMA, Filme, Gewalt, Keuschheitsgürtel, Lustmord, Noncon-Phantasien, Penile Circumference Response, Pornographie und Vergewaltigung, Psychische Schäden, Rape, Rape Rack, Subkultur, Voyeurismus

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Stand: 19.02.2003.

 

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